Es war ein frühlingshafter Abend als sich Claudia und Dominik entschieden nicht zu warten bis es „zu spät“ ist und sich den Traum der Weltreise so schnell wie möglich zu erfüllen. Ab diesem Moment begann eine aufregende Zeit. Die beiden erzählen dir heute im Interview unter anderem wie es ist nervös vor der Chefin zu sitzen und zu hoffen, dass sie den Plänen zustimmt.
Frage 1: Wie kam die Idee ein Sabbatical zu machen?
Die Entscheidung dafür, eine einjährige Weltreise zu machen, hatte einen eher ernsten Hintergrund. An einem lauen Aprilabend haben wir uns nach der Arbeit noch in einem Café getroffen. Dominik hatte gerade den Nachruf von Micky Beisenherz auf einen Radiomoderator, der während der Sendung einfach tot umgefallen war, gelesen. Topfit, mit 40 Jahren, einfach tot. Im Nachruf hieß es:
Darüber sprachen wir an diesem Abend. Ein Jahr auf Weltreise zu gehen, war das, was wir beide wirklich tun wollten. Nicht irgendwann. Sondern so bald wie möglich. Damit war die Entscheidung zum Sabbtical gefallen.
Frage 2: Wie lange vorher habt ihr das Sabbatical bei euren Arbeitgebern angekündigt und wie hat man dort reagiert?
Die Entscheidung hatten wir Mitte April getroffen. Bereits im Oktober sollte es losgehen. Blieben also noch 5,5 Monate. Dominik ist Freiberufler. Der brauchte also keine Genehmigung. Deswegen wollten wir erstmal abwarten, wie der Vorschlag bei mir auf der Arbeit ankommen würde. Ich arbeite unbefristet angestellt.
Zunächst versuchte ich möglichst unauffällig in Erfahrung zu bringen, ob es für meinen „Fall“ schon eine Regelung gab. Wie sich schnell herausstellte, war ich die Erste bei uns im Unternehmen, die ein Sabbatical machen wollte. Ich musste also „einfach“ meine Chefin fragen.
Von dem Ergebnis dieses Gesprächs hing eine ganze Menge ab. Konnte ich gehen und anschließend in meinen Job zurückkehren? Was würde ich machen, wenn sie „nein“ sagte? Würde ich wirklich kündigen?
Ich war also extrem aufgeregt, als ich meine Chefin um einen Gesprächstermin bat, mein Kopf malte sich jede Menge düstere Szenarien aus. Schließlich war es so weit. Mit feuchten Händen saß ich in ihrem Büro. Sie dachte vermutlich, ich wolle ihr sagen, ich sei schwanger, wie all die anderen Kolleginnen in meinem Alter. Als ich mit der Sprache herausrückte, reagierte sie gleich total positiv und sagte sofort „ja“. Ich war komplett überrascht! Jetzt musste nur noch der oberste Direktor zustimmen, dann stand der Weltreise nichts mehr im Wege. Der kommentierte wenige Tage später nur mit „Ja, das würde ich selbst gern machen.“ Damit war die Sache klar. Es gab für mich keinen Weg mehr zurück. Meine Kolleginnen waren etwas geschockt, aber letztendlich freuten sie sich für mich.
Ich organisierte dann in weiten Teilen noch meine Vertretung, was ein wenig merkwürdig war, wie es nun einmal merkwürdig ist, sich selbst zu ersetzen. Aber so konnte ich guten Gewissens meine Auszeit antreten.
Dominik suchte das Gespräch mit seinem Chef, der weniger begeistert war, zumal in seinem direkten Umfeld zufälligerweise gerade zwei weitere Kollegen ähnliche Ideen hatten und nun auf ihn eine mittelgroße Personallücke zukam.
Frage 3: Wann und wie lange habt ihr euer Sabbatical genommen?
Mein Sabbatical ging vom 16.9.2015 bis 16.10.2016. Davon waren wir genau ein Jahr unterwegs (1.10.2015 -1.10.2016). Ich hatte mir zwei Wochen vorher frei genommen, um Zeit für die Vorbereitungen zu haben, die Wohnung auszuräumen, Equipment zu kaufen etc. Hinterher hatte ich mir ebenfalls zwei Wochen für’s Wiederankommen gegönnt. Dominik hat jeweils vorher und nachher nur eine Woche frei genommen.
Frage 4: Wo wart ihr überall und was waren eure Highlights?
Wir waren in 20 Ländern auf vier Kontinenten (zwölf Länder in Süd-, Mittel- und Nordamerika dazu Neuseeland, West-Australien, in Asien Indonesien und Myanmar, in Afrika Äthiopien und Tansania).
Die Highlights waren ganz unterschiedlicher Natur: Machu Picchu in Peru und Wae Rebo in Indonesien waren wegen ihrer erhabenen Lage und Abgeschiedenheit beeindruckend. Tauchen auf den Galapagos-Inseln – ein einmaliges Erlebnis. In einem Tauchgang Delfine, Pinguine, Hammerhaie, Robben und Schildkröten zu sehen haut einen einfach um.
Die Schönheit der Natur in Neuseeland war sehr einprägsam. Außerdem hatten wir ständig das Gefühl, hinter der nächsten Ecke würde eine Figur aus „Der Herr der Ringe“ auf uns warten. Der Road Trip mit einem Campervan in West-Australien war ebenfalls ein Highlight: kein Kofferpacken, völlig autark sein mit Wasservorräten und eigenem Kühlschrank, unglaublich schöne weite Natur, nette Menschen, mit denen wir schnell ins Gespräch gekommen sind, BBQ am Strand und in freier Natur – in West-Australien hat einfach alles gestimmt.
Auch Bagan in Myanmar mit den unzähligen Tempeln, die wir mit dem Elektroroller abgefahren sind, war auf seine Art sehr besonders. Genauso wie die unerwartete Andersartigkeit und Schönheit Äthiopiens. Vom unglaublich guten Kaffee dort mal abgesehen. Ich bin ein richtiger Kaffeejunkie muss ich dazu sagen. Ein echtes Abenteuer war auch die Safari im Serengeti Nationalpark in Tansania. Dort im Zelt zu schlafen, während direkt neben einem die riesigen Kaffernbüffel das Gras aus dem Boden zupfen, war beängstigend, aufregend und unvergesslich zugleich!
Frage 5: Was hat euch das Sabbatical gekostet?
In der Heimat konnten wir die Kosten auf ein Minimum reduzieren. Die Wohnung haben wir untervermietet, Verträge gekündigt, ein Auto besitzen wir nicht, und es gibt auch keinen Kredit, den wir abbezahlen müssten.
Wir haben auf der Weltreise nicht immer die sparsamste Variante zu reisen gewählt. Wir waren eher auf Flashpacker-Niveau, wie man das so nennt, unterwegs: sind mal geflogen, anstatt den Nachtbus zu nehmen, haben mal im Restaurant gegessen anstatt nur in Straßenküchen, haben Wert darauf gelegt, zum Übernachten ein Zimmer für uns zu haben und hatten mit dem Tauchen ein teures Hobby im Gepäck.
Wenn man die günstigste Variante wählt, kommt man mit 1.000 Euro pro Monat hin. Wir haben pro Person gut das Doppelte bezahlt.
An dieser Stelle noch ein Tipp: Kosten unterwegs mit der App „Trail Wallet“ erfassen. Kostet zwar einmalig 5 Euro, aber ist so viel besser, als abends über Excel-Listen zu brüten.
Frage 6: Was hat sich nach dem Sabbatical für euch verändert?
Ich musste drei Monate vor Rückkehr bei meinem Arbeitgeber Bescheid sagen, dass ich auch wirklich zum vereinbarten Zeitpunkt meinen Job wieder antreten würde. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich auch die Möglichkeit gehabt, zu sagen, ich komme erst sechs Monate oder ein Jahr später wieder. Das wäre kein Problem gewesen. Der Vertrag von meiner Vertretung hätte dann einfach verlängert werden können.
Dominik hatte ebenfalls seinen Arbeitgeber rechtzeitig darüber informiert, ab wann er wieder zur Verfügung steht. Als wir dann zurück in Deutschland waren, ging es für Dominik schon nach einer Woche zurück ins Berufsleben. Ich hatte noch eine weitere Woche Schonfrist.
Es war wirklich merkwürdig, einfach wieder in sein altes Leben zurückzukehren, zu seinen Kollegen, an seinen Arbeitsplatz, in die alte Wohnung. Klar, hatten wir die üblichen fünf Minuten Aufmerksamkeit, aber dann ging alles schnell wieder seinen gewohnten Gang und der Alltag kehrte zurück.
Was sich verändert hat? Tja, schwer zu sagen, viele kleine Einstellungen im Kopf, und das Meiste hört sich wie die Klischees an, die man schon 1.000 Mal gehört hat. Ich würde sagen, alles ist wieder etwas mehr in die richtige Perspektive gerückt.
Wir wissen den Luxus, in dem wir in Deutschland leben, mehr zu schätzen. Dass es Supermärkte gibt, deren Regale bis zum Bersten gefüllt sind. Das Gesundheitssystem.
Wir sind einfach sehr dankbar, dass wir uns diese unglaubliche Zeit genommen haben und die Erinnerungen daran bereichern uns jeden Tag. Im Moment ist es ja noch so, dass wir immer denken: „vor einem Jahr waren wir gerade da und da und haben das und das gemacht.“
Aber wir denken auch nochmal ganz neu über unser Leben insgesamt nach, weil wir auf der Weltreise in andere Welten eingetaucht sind, viele Leute mit andersartigen Lebensmodellen kennengelernt haben. Wir hinterfragen unseren Alltag und das Leben in Deutschland nochmal ganz neu.
Ich finde auch beispielsweise die Welt der digitalen Nomaden inzwischen unheimlich spannend. Das sind Leute, die (meist online) ortsunabhängig arbeiten. Sei brauchen dafür nicht viel mehr als Strom und eine halbwegs stabile Internetverbindung. Viele sind nur mit Handgepäck total minimalistisch unterwegs.
Unser Blick hat sich einfach insgesamt sehr geweitet, und wir nehmen Sachen vielleicht auch nicht mehr so ernst wie früher, weil wir gesehen haben, welche Dramen sich in der Welt abspielen und in was für Verhältnissen Menschen andernorts leben.
Frage 7: Würdet ihr es wieder tun?
Jederzeit. Aber das kann Claudia ihrer Chefin und ihrer Familie erstmal nicht antun;)
Letzte Frage: Habt ihr einen Tipp für die, die noch überlegen, ob sie ein Sabbatical machen sollen?
Nicht mehr überlegen, machen. Sich Schritt für Schritt darauf zu bewegen. So eine Auszeit für sich selbst ist etwas, das einem niemand mehr nehmen kann.
Ob du die klassische Sabbatical-Variante wählst oder eine unbezahlte Auszeit wie wir, das kannst du ja für dich entscheiden.
Falls dich das Geld zurückhält: du kannst sehr viel günstiger reisen, als wir es getan haben oder erstmal nur für drei oder sechs Monate. Langsam reisen ist günstiger, also länger an einem Ort bleiben. Freunde von uns haben in Australien drei Monate lang in einem Supermarkt gearbeitet und so vor Ort Geld für die Reise gespart. Oder du machst Wwoofing, Housesitting oder Couchsurfing. Da gibt es ja unendlich viele Modelle. Irgendeine Lösung findet sich immer. Viel Unterstützung und die gesammelte Schwarmintelligenz findest du auch in einschlägigen Weltreiseforen oder in Gruppen auf Facebook.
Dauer Sabbatical: 12 Monate
Regelung Sabbatical: Unbezahlter Urlaub
Reiseziele: Zwölf Länder in Süd-, Mittel- und Nordamerika, Neuseeland, West-Australien, in Asien Indonesien und Myanmar, in Afrika Äthiopien und Tansania). Die genaue Route findet ihr hier.
Kosten: 30.000 Euro pro Person, davon 6.500 Euro für Flüge und 5.000 Euro für’s Tauchen
Wenn du jetzt neugierig geworden bist und mehr von Claudia und Dominiks Abenteuern in Äthiopien oder auch Myanmar lesen willst, dann besuche sie auf ihrem Blog Weltreize, auf Facebook oder auch Twitter.
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