Sandra war im klassischen „Hamsterrad“, als sie beschloss, ihren Fokus für eine Weile auf sich selbst zu richten und sich den Traum einer Weltreise zu erfüllen. Dafür war sie bereit, ihren Job als Key Account Managerin zu kündigen. Doch die Kündigung wurde nicht akzeptiert. Was dann passierte, erzählt sie dir im Interview.
Frage 1: Wie kam es zu der Idee ein Sabbatical zu machen?
Ehrlich gesagt, kam diese Idee gar nicht von mir. Als ich mich mit dem Thema Weltreise beschäftigt hatte, war ich bereit, alles dafür aufzugeben. Also nicht nur meine Wohnung mit all dem was dazu gehört, sondern auch meinen Job. Es war mein lang ersehnter Traum, die Welt zu bereisen und in meinen Augen war es genau der perfekte Zeitpunkt (obwohl es den ja eigentlich nicht gibt). Ich hatte mein Leben lange Zeit nur auf die Arbeit, Studium und Karriere ausgerichtet, mich in diesem ganzen Mechanismus aber vollkommen vergessen. Dadurch, dass sich zudem in meinem privaten Umfeld einige Änderungen ergeben und ich meinen nebenberuflichen Master beendet hatte, gab es nichts mehr, was mich konkret in Deutschland gehalten hat. Die weiteren Rahmenbedingungen haben auch gepasst. Also hatte ich das Gespräch mit meinem Arbeitgeber gesucht und geplant, meine Kündigung auszusprechen.
Frage 2: Wie wurde aus Kündigung Sabbatical?
Mein Arbeitgeber hat auf meine Kündigung sehr verständnisvoll reagiert. Meine Beweggründe waren für ihn absolut nachvollziehbar. Trotzdem wurde die Kündigung so nicht angenommen. Ganz im Gegenteil, mir wurde ein Sabbatical angeboten. Als eine Art Win-Win-Situation für beide Seiten. Ich hatte somit neben der Möglichkeit, meine Zukunft zu sortieren auch die Sicherheit, jederzeit wieder in meinen alten Job einsteigen zu können. Mein Arbeitgeber hatte immer noch die Chance, dass ich nicht wie geplant kündige, sondern stattdessen nach der Auszeit wieder zurückkehre. Diese Idee war eine tolle Bestätigung meiner Leistungen der letzten Jahre, weshalb ich das sehr gerne angenommen habe. Wenngleich ich immer klar und offen kommuniziert habe, dass ich keine Garantie aussprechen könne, zurückzukommen. Ich wusste ja nicht, was die Reise mit mir machen würde…
Frage 3: Wann und wie lange hast du dein Sabbatical genommen?
Aufgrund der ursprünglichen Idee, meinen Job zu kündigen, habe ich in diesem Zusammenhang meine 5-monatige Kündigungsfrist berücksichtigt. Die ersten Gespräche waren im September 2015, so dass ich zum 1. März 2016 meine Reise geplant hatte. Der Flieger nach Auckland in Neuseeland, das erste Ziel meiner 10-monatigen Weltreise, ging am 27. Februar 2016. Zurück nach Deutschland ging es von Bangkok aus am 22. Dezember 2016, rechtzeitig zum Weihnachtsfest.
Frage 4: Wo warst du überall und was waren deine Highlights?
Ich habe in den 300 Tagen ca. 20 Länder bereist. Meine Zielsetzung war es, möglichst viel von der Welt zu sehen. Natürlich wollte ich nicht hetzen, aber ich wollte die Kontraste in Kultur, Natur und Menschen der jeweiligen Kontinente entdecken. Und ich wollte mich kennenlernen, auf eine ganz andere Art und Weise. Meine Reiseroute war von den Jahreszeiten geprägt, gestartet bin ich in Neuseeland, Australien und Fidschi. Dann ging es mit einem kurzen Zwischenstopp in L.A. nach Antigua in Guatemala, wo ich einen Monat lang in einer Gastfamilie gelebt und in einer Schule Spanisch gelernt habe. Darauf folgte eine Tour durch Costa Rica und Panama, sowie eine Tour von Ecuador über Peru nach Bolivien. Zum Abschluss in Südamerika habe ich Argentinien und Brasilien bereist. Anschließend ging es, als eine Art kurzer Stopp zwischen Amerika und Asien, nach Südafrika. Dies war eins meiner Highlights auf der gesamten Reise. Nach einem kurzen Abstecher auf Bali ging es dann über Singapur und Kuala Lumpur nach Thailand, wo ich auch meinen 30. Geburtstag mit meinen besten Freundinnen gefeiert habe. Danach bin ich weiter von Kambodscha nach Vietnam und Myanmar. Der Abschluss meiner Reise war dann wieder Thailand.
Ein Highlight war definitiv der Inca-Trail in Peru, wo ich meine persönlichen Grenzen erreicht habe und schlussendlich mit dem Machu Picchu belohnt wurde. Die Salzwüste in Boliven hatte auch einen ganz besonderen Reiz. Erschlagen wurde ich von der Naturgewalt der Iguazu-Wasserfälle. Das war ein „Gänsehaut-Moment“. Zu meinem 30. Geburtstag habe ich mir als Geschenk eine Ballonfahrt über die Tempel in Bagan (Myanmar) gegönnt. Ein wirklich magisches Erlebnis. Der Tafelberg in Kapstadt mit der einzigartigen Aussicht hat mich ebenso fasziniert, wie das Weltwunder Angkor Wat. Zudem habe ich es genossen, so viele Tiere in freier Wildbahn zu sehen. Ich habe während der gesamten Reise versucht, keine Erwartungen zu haben. So war jeder Tag irgendwie etwas ganz Besonderes.
Frage 5: Was hat dich das Sabbatical gekostet?
Wenn ich die Gesamtkosten inkl. Reiserücktrittsversicherung, Auslandskrankenversicherung, den laufenden Kosten (wie z.B. Berufsunfähigkeitsversicherung) und die Ausstattung (Rucksack, Handtücher, Taschenmesser etc.) mit einbeziehe, habe ich rund 23.000 Euro ausgegeben. Dazu muss man sagen, dass ich zwei geführte Touren gemacht habe, die, im Nachhinein betrachtet, nicht erforderlich gewesen wären. Ich hatte etwas Bedenken, ob man als Frau alleine durch Mittel- und Südamerika reisen könnte, daher habe ich mich zwei G-Adventures Touren angeschlossen und diese waren natürlich nicht gerade günstig. Zudem habe ich viel Zeit in Australien und Neuseeland verbracht, die teuersten Flecken auf der Welt. Und auch die Fidschis und Myanmar sowie Brasilien und Costa Rica zählen nicht gerade zu den Backpacker-Spar-Paradiesen. Und mit rund 86.000 Flugkilometern sind auch im Bereich der Flugkosten einige Taler zusammengekommen.
Frage 6: Was hat sich nach dem Sabbatical für dich verändert?
Zurückzukommen war hart, ich wollte einfach nicht zurück. Ich war nach 10 Monaten nicht müde, konnte mit dem Thema Weltreise noch nicht abschließen. Demnach bin ich mit sehr gemischten Gefühlen in den Flieger gestiegen. Für mich ist es wichtig, ein Buch zu schließen, bevor ich ein neues öffne. Und hier hatte ich das Gefühl, dass ich noch mitten im Abenteuer war. Als würde ich mitten aus der Geschichte einfach rausgerissen werden. Den Zeitpunkt meiner Rückkehr habe ich wirklich ungünstig gewählt. Nach 300 Tagen Abenteuer und Freiheit direkt ins familiäre Weihnachtsfest. Ins kalte, triste, dunkle Deutschland, nach 10 Monaten Sonnenschein. Das war nicht einfach.
Als Person habe ich mich nicht wirklich verändert. Ich bin immer noch ich. Durchgeknallt, weltoffen, fröhlich und abenteuerlustig. Aber ich weiß jetzt, dass ich alles schaffen kann. Ich sag mal so, wer 10 Monate alleine jede Herausforderung am anderen Ende der Welt gemeistert hat, der wird ja wohl auch mit unseren kleinen Erste-Welt-Problemen fertig, oder? Zudem habe ich gelernt, auf mein Bauchgefühl zu hören. Dieses Gefühl hat mir auf der Reise geholfen, den richtigen Weg zu finden und mit den richtigen Leuten die Zeit zu verbringen.
Auch habe ich mich so stark wie noch nie selbst reflektiert. Hinterfragt, warum ich so bin, wie ich bin. Warum ich so reagiere, so fühle. Das sind sehr kostbare Erkenntnisse. Ich habe gelernt, dass ich meine Prioritäten anders setzen muss. Das Arbeit und Karriere nicht mehr meine Nr. 1 sind. Ich habe gelernt, dass Zeit für mich elementar ist und ich mich früher oft selbst vergessen habe. Und ich habe gelernt, was wirklich wichtig im Leben ist. Es ist nicht der größte Fernseher, die neuste Technik, ständige Erreichbarkeit und Vollgas geben – das ständige Bestreben nach „höher-weiter-schneller-besser“. Das Wichtigste ist die Zeit. Die Zeit mit besonderen Menschen an besonderen Orten zu verbringen. Lernen, entdecken, erleben. Menschen um sich zu haben, die man liebt.
Aus diesen Erkenntnissen heraus habe ich mich dazu entschieden, nicht wieder in meinen alten Job zurückzukehren. Mich nicht auf meinen alten Schreibtischstuhl zu setzen und mich mit den alten Problemstellungen zu beschäftigen. Ich habe einen Schlussstrich unter mein altes Lebens gesetzt. Nach der Kündigung habe ich mich auf die Suche nach einem neuen Job gemacht. Aufgrund meiner Reise waren ganz andere Kriterien elementar und nicht mehr die zuvor sehr stark rational geprägten Faktoren. Entscheidend sind: Nähe zu Familie und Freunden, Work-Life-Balance, Urlaub, Internationalität und persönliche Entwicklung. Und mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich genau diese Stelle gefunden habe. Die neue Arbeit begann am 02. Mai. Nach der Vertragsunterschrift hatte ich mich aber direkt noch einmal in den Flieger gesetzt, mit dem Ziel, das Buch in Sri Lanka und auf den Malediven zu schließen. Und das habe ich für mich geschafft.
Frage 7: Würdest du es wieder tun?
Sofort. Es war mein Jahr, meine Zeit. Es war traumhaft schön, atemberaubend, erfüllend und besonders. Einfach unbeschreiblich. Das was ich erlebt habe, wird mir immer in Erinnerung bleiben. Mir Kraft geben, wenn ich Kraft brauche. Und die Erkenntnisse werden mir helfen, noch glücklicher zu sein als vorher.
Letzte Frage: Hast du einen Tipp für die, die noch überlegen, ob sie ein Sabbatical machen sollen?
Ich sage es einfach mit einem Zitat: „Mut liegt am Anfang des Handelns – Glück am Ende“. Manchmal muss man loslassen, um alles zu bekommen. Ich habe meine Wohnung aufgegeben, alle Möbel verkauft und alles Ersparte, was man sonst als typisch Deutscher für Haus und Hof und Zukunft zur Seite legt, auf den Kopf gehauen. Im Gegenzug habe ich das schönste Jahr meines Lebens bekommen, mit Erinnerungen, die ich nie vergessen werde und die mir mein Leben lang Energie geben werden. Traut euch, es lohnt sich 🙂
Sandras Sabbatical im Überblick
Dauer Sabbatical: 10 Monate
Regelung mit dem Arbeitgeber: statt Kündigung, unbezahlter Urlaub mit Rückkehroption
Kosten Sabbatical: Inkl. Laufender Kosten 23.000 Euro
Reiseziele: Neuseeland, Australien, Fidschi, Antigua (Guatemala), Costa Rica, Panama, Ecuador, Peru, Bolivien, Argentinien, Brasilien, Südafrika, Bali, Singapur, Kuala Lumpur, Thailand, Kambodscha, Vietnam, Myanmar
Sandra, liebt das Reisen und nutzt jede Minute und jeden Cent, um die Welt zu entdecken. Da sie auch gern schreibt hat sie aus ihrem kleinen, persönlichen Online-Tagebuch einen Blog entwickelt. Auf www.sandraaroundtheworld.de berichtet sie regelmäßig über ihre Abenteuer rund um den Globus. Nicht im klassischen Stil mit Erfahrungsberichten und Geheimtipps. Es sind ihre ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Gefühle, mit vielen Bildern und Impressionen, die du auf ihrem Blog findest.
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