Wer lieber nette fröhliche Berichte mag, der klickt jetzt besser woanders hin. Wer wissen möchte, was bei mir in China so alles schief ging, der macht sich eben einen Tee und verschafft sich ausreichend Platz, um gleich immer wieder kräftig den Kopf schütteln zu können.
Die Anreise
Reisen in fremden Ländern, allein und dann auch noch als Frau. Mutig?
In Zeiten der Globalisierung und des Internets, dachte ich eigentlich könne einem nicht mehr viel passieren (mal die wirklich gefährlichen Länder ausgeschlossen). So bin ich allein nach China, wohlwissentlich, dass es sprachlich schwierig werden könnte. Aber meine Güte, wozu gibt es das Internet, hatte ich mir gedacht.
Tja, da hab ich nicht so wirklich schlau überlegt, denn was bringt das Internet, wenn China meine üblichen Apps und Suchmaschinen blockiert und wenn die Straßen entweder keine oder nur chinesische Namen haben? Richtig: nicht viel!
Aber hey, dann lässt man sich eben helfen. Das hatte in Japan ja wunderbar geklappt. Als ich von Hangzhou nach Wuzhen wollte, habe ich mir alles vom freundlichen Hostelmitarbeiter erklären lassen. Er rief mir ein Taxi, dass mich durch den Stau zur richtigen Metro brachte. Von dort aus mit der U-Bahn bis zur Coach Station. Soweit so gut. U-Bahn Fahren war ich ja schon gewohnt und so war ich ganz stolz ohne Englische Anzeige das richtige Ticket am Automaten gelöst zu haben. Doch nun wurde es ernst. Ich musste raus und den Ticketschalter für die Busse finden. Kann ja nicht so schwer sein. Hatte er mir doch sogar extra einen Zettel auf chinesisch geschrieben, damit man mir auch wirklich das richtige Ticket verkauft.
Zur Absicherung habe ich mir an der Kundeninfo der Metro noch den richtigen Ausgang zeigen lassen und dann los. Gut hier standen viele Busse, aber wo bekommt man das Ticket für die Fahrt? Ich drehte mich gerade um mich selbst, als eine Frau auf mich zukam und mir helfen wollte. Ich versuchte es auf Englisch und zeigte ihr den chinesischen Zettel. Sie schien zu verstehen und wollte mir den Weg zeigen. Ich Glückspilz, wieder kam mir jemand zur Hilfe.
Sie führte mich vom Parkplatz weg, die Straße runter in ein winziges Ticketbüro. Doch dann sollte ich nicht etwa ein Ticket kaufen, sondern warten und sie begann zu telefonieren. Jetzt meldete sich mein Bauch: hier stimmt was nicht. Die will dir nicht helfen, die bringt dich nicht zum richtigen Bus. Ich stand auf und zeigte ihr, dass ich zurück gehen werde. Sie sprach was Chinesisches von Taxi und hielt 400 Yuan hoch. Ich lehnte ab, wollte los, da wurde sie hektisch. Eine zweite Frau kam dazu, ich ging los, die beiden mir hinterher. Mein Bus sollte 30 Yuan kosten, was die beiden vorhatten, war wohl mich bei ihrem Vetter ins Auto zu verfrachten und mich mit einer viel zu teuren Fahrt abzuzocken. Zumindest glaube ich das.
Schlimmeres möchte ich mir nicht vorstellen.
Ich war inzwischen wieder auf dem Busparkplatz zurück, eine der Frauen war zurück geblieben, die andere rannte vor. Ich sah eine junge Frau, ungefähr mein Alter, gut gekleidet, zielstrebig auf den Bahnhof zugehend. Die spreche ich an, die kann vielleicht Englisch und dann verschwinden die anderen sicher. Gedacht, getan. Richtige Entscheidung.
Sie verstand mich und meinte ich solle ihr folgen. Ihr Ehemann käme aus Wuzhen, daher sei das auch ihr Zuhause. Wir kamen in einer großen Halle mit Ticketschaltern an. Hier war ich richtig, ich war so dankbar. Geübt suchte sie mir das richtige Busticket am Automaten raus und bezahlte prompt. Ich wollte ihr das Geld geben, sie nahm partout nicht an. Es sei ihr Geschenk an mich und ich solle eine gute Reise haben. Dann brachte sie mich noch zum richtigen Busschalter und verabschiedete sich von der unendlich dankbaren Reisenden.
Im Nachgang war die Sache eigentlich ganz leicht, wenn man eben weiß, wo man hin muss. Aber so wurde aus meiner Unwissenheit eine ganz besondere Erfahrung, die mir mit einem Bilderbuch-Happy-End in Erinnerung bleiben wird und mich noch mehr bestärkt aktiv auf verloren-aussehende Touristen in meiner Heimat zuzugehen und Hilfe anzubieten.
Das Hotel
Mein Glück sollte nicht lang anhalten, denn zu meiner Unterkunft in Wuzhen gibt es eine ähnlich schräge Geschichte, die dazu führte, dass ich nach einer Horrornacht umzog. Am Busbahnhof Wuzhen angekommen wollte ich am Touristenschalter nach dem Weg zu meinem Hostel fragen. Hier sprach man kein Englisch. Also zeigte ich auf meine Buchungsbestätigung und die Adresse. Die Servicedame rief daraufhin in meiner Unterkunft an. Sie deutete mir, man würde mich abholen. Ach wie nett, dachte ich mir. Eine dreiviertel Stunde später kam eine aufgeregte Frau hinein und winkte mir mitzukommen. Sie hatte ein Auto organisiert und fuhr bis zu einem großen Tor. Dort hieß es aussteigen, ein Ticket für die Touristenzone kaufen und zu Fuß weiter. Durch kleine Gassen und über Brücken kamen wir dann endlich an. Nie im Leben hätte ich das gefunden. Zumal es sich um ein normales nicht gekennzeichnetes Wohnhaus handelte. Wir traten ein.
Holzverkleidete Wände, ein Schreibtisch im Flur statt einer Rezeption, die Zimmer schlicht, aber auf den ersten Blick okay.
Kaum hatte ich meine Sachen in meinem Raum abgelegt, verschwand sie. Schnell begriff ich, dass ich hier die einzige Person war. Alle anderen Zimmer standen offen und waren leer. Ein wenig mulmig war mir schon. Auch als ich am Abend wieder kam, war außer mir niemand in dem Haus.
Erst spät in der Nacht hörte ich auf einmal Männerstimmen im Zimmer nebenan. Wo kamen die denn jetzt her? Ich fand das alles gar nicht mehr komisch. Stelle den einzigen Stuhl in meinem Zimmer vor die Tür und meinen Backpack oben drauf. So hoffte ich wenigstens mitzubekommen, sollte jemand versuchen in meinen Raum zu kommen. Ich überlegte sogar früher abzureisen, doch das wäre mit extrem hohen Flugkosten verbunden gewesen. Also buchte ich mir für den nächsten Tag eine andere Unterkunft und stand irgendwie eine äußert unruhige Nacht durch, in der meine Fantasie alle möglichen Szenarien durchspielte. Es passierte Gott sei Dank tatsächlich nichts und so verließ ich mein Zimmer am nächsten Morgen mucksmäuschenstill und checkte direkt beim anderen Hotel ein. Hier bestand das Bett zwar nur aus einer mit Stoff bespannten Holzplatte, aber was soll’s, es war wenigstens sicher. So konnte ich meine letzten Tage in der Region tatsächlich noch genießen. Bis die Abreise kam.
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