Dieses Jahr steht für mich unter dem Stern des Wanderstiefels. Im Oktober geht es auf große Wandertour nach Nepal. Dort wartet der Annapurna Circuit mit einem 5tausender Pass auf mich. Drei Wochen Wanderung in Höhenmetern, das ist als Anfängerin eine ernstzunehmende Herausforderung. Deshalb habe ich mir für dieses Jahr so einige Wanderungen zum Warmwerden vorgenommen. Neben einem Survival Training in der Schweiz, ist auch der Harzer Hexenstieg dabei. Dort knackte ich schwitzend in 4 Tagen die 100 Kilometer. Für mich als Wanderanfängerin, die auf dieser Tour zum ersten Mal allein und mit Rucksack gewandert ist, war es ein saustarkes Gefühl, als ich das Ziel erreichte. Bis dahin hatte ich die frische Waldluft genossen, bin in einsamen Seen geschwommen, habe mich mit schmerzendem Fuß weiter gequält, meinen Rucksack verflucht, einen Wegbegleiter kennengelernt, bin durch scheinbar verlassene Orte gelaufen, wusste auf einer Kuhweide nicht mehr, wo der Weg war und habe den Teufelsstieg verflucht. Aber von vorn.
Werbung: Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit Harzer Tourismusverband e.V. .
Als ich Im Frühjahr mit Harzer Tourismusverband e.V. {Werbung } auf der ITB ins Gespräch kam, dachte ich noch an eine kleine feine Wanderung. Ihr Vorschlag war dann mehr, als ich erwartet hatte: „Laufe doch den Hexenstieg.“ Und so kam es dann ein paar Monate später auch. Dieser Wanderweg im Harz führt eigentlich in 5 Etappen und 94 Kilometern von Osterode bis nach Thale. Für mich wurde die Wanderung in 4 Tagen geplant (man hielt mich wohl für sportlich, hust hust) und aufgrund Sturmschäden bedingter Umleitungen sowie dem Aufstieg zum Brocken, kam ich schlussendlich auf über 100 Kilometer. Wenn schon, denn schon. Für dich habe ich von der Anfahrt, über die vier Tage Wanderung bis hin zu Alternativen, alles einmal runtergeschrieben, das ganze Hexenstieg Abenteuer.
Anreise zum Wandern im Harz:
So, wie ich den Harzer Hexenstieg gewandert bin, startet man in Osterode. Den Ort erreichst du gut mit der Bahn. Von Berlin Hauptbahnhof aus dauert das beispielsweise per ICE nur 2,5 und IC 3,5 Stunden. Du kannst den Weg alternativ aber auch andersherum laufen und in Thale starten, bis dahin sind es 3,5 Stunden. Natürlich kannst du auch mit dem Auto in den Harz fahren, das ist aber eher ungünstig, wenn du den Hexenstieg läufst, da dies kein Rundwanderweg ist und du so am Ende wieder zurück zum Ausgangspunkt musst, um deinen PKW wieder einzusammeln. Ich würde die Bahn also bevorzugen.
Außerdem bietet es sich an, bereits eine Nacht vorher anzureisen, damit du gleich morgens mit dem Wandern starten kannst. Ich habe meine erste Nacht nicht direkt in der Stadt Osterode, sondern in Osterode-Riefensbeek im Landhaus Meyer verbracht. Ein familiengeführtes gemütliches altes Landhaus mit guter deutscher Küche. Der perfekte Ort, um sich auf die Wanderung am nächsten Tag einzustimmen, denn viel los ist in diesem Ort nicht und die waldgegebene Ruhe sorgt für guten Schlaf vor der ersten Etappe. Außerdem kommt man nur wenige Meter vom Landhaus entfernt auf einen Wanderweg, der dich direkt auf den Harzer Hexenstieg führt.
Das Abenteuer beginnt
Harzer Hexenstieg Wanderung Tag 1 – von Osterode nach Altenau (ca. 20 km)
Zugegeben, ich war aufgeregt, als es dann endlich losging. Den Rucksack aufgesetzt, die Wanderstiefel geschnürt und meine Wanderkarte fest in der Hand, verabschiedete ich mich von den netten Besitzern des Landhaus Meyers und ging die Straße ein Stück hinunter, zum Start des Wanderweges. Die ersten Kilometer hatte ich eigentlich permanent meine Kamera in der Hand, schoss unzählige Fotos vom Wald, von in Blüten sitzenden Hummeln, von allem, was die Natur hier zu bieten hatte.
So verging die Zeit schnell und ich war noch kaum vorangekommen, als ich auch schon die Empfehlung meiner Gastgeberin entdeckte: einen stillen, großen, vom Wald umgebenen See. Keiner da, außer mir. Tja, was macht man da wohl? Reinspringen, oder? Zumal es im Harz schon seit Wochen kochend heiß war und auch an diesem Tag mit 34 Grad zu rechnen war. Also den Rucksack abgelegt, aus den Wanderstiefeln rausgepult, den Bikini aus dem Rucksack gekramt (ja den hatte ich dabei) und ab ins Wasser. Wie herrlich frisch das ist! Und keiner hier außer mir. Ich konnte es gar nicht fassen.
Und so schwamm ich, ließ mich auf dem Rücken liegend treiben, genoss die absolute Idylle.
Irgendwann hörte ich dann Stimmen, zwei andere Wanderer kamen am See entlang und entschieden sich für eine Pause. Das war mein Zeichen: weiter geht’s. Nach gut 10 Kilometern Waldwegen kam ich dem Polsterberger Hubhaus näher und entschloss mich Mittagsrast zu machen. Die Speisekarte versprach mich glücklich zu machen. Doch leider wurde die Vorfreude durch lautes Geschimpfe in der Küche gestört. Ich hatte wohl den strategisch falschen Platz gewählt. Auf der hinteren Terrasse saß außer mir niemand und ich verstand auch schnell warum. Hier stand das Fenster zur Küche offen und darin gab es heftige Wortwechsel. Besser wohl, man sitzt im vorderen Bereich und kann sein Essen ohne Küchenzank genießen. Zumindest war ich für die restliche Etappe gestärkt und konnte mich so auf den Weg nach Altenau machen.
Die ersten Kilometer nach dem Mittag war ich gut drauf, doch irgendwann merkte ich wie sich am rechten Fersen eine Blase bildete und dann fingen die Schultern an zu schmerzen. Ich hatte mich für den falschen Rucksack entschieden. Anstatt meinen guten Backpack mitzunehmen, hatte ich die kleinere Variante, einen uralten Tagesrucksack gewählt. Das sollte mich davon abhalten zu viel einzupacken. Was auch geklappt hatte, nur war der schwer beladen und ohne Hüftgurt. Das Gewicht war also den ganzen Tag auf meinen Schultern und irgendwann schmerzte das ordentlich. Die letzten vier Kilometer, ich muss es zugeben, wollte ich nur noch ankommen. Ich war k.o. Als ich am Abend endlich in meiner Unterkunft, dem Landhaus am Kunstberg angekommen und mein Zimmer bezogen hatte, gab es nur noch 3 Dinge auf meiner To Do Liste:
- Aus den verschwitzten Klamotten raus und endlich duschen
- Klamotten waschen und für morgen auf dem Balkon trocknen lassen
- Beim italienischen Lieferservice anrufen und essen bestellen.
Ja, ich gebe es zu, den Abend nach meiner ersten Etappe habe ich es nicht mehr bis in den Ort runter geschafft. Ich habe mir tatsächlich Essen liefern lassen und ein Tiramisu im Bett genossen.
Gemeinsam wandert es sich besser
Harzer Hexenstieg Wanderung Tag 2 – von Altenau über den Brocken nach Schierke (ca. 24 km)
Wie gut man doch schläft, wenn man völlig k.o. ist. Als ich im Landhaus am Kunstberg aufwachte spürte ich die Schultern vom Vortag noch, war aber froh, dass es deutlich weniger schlimm war, als ich befürchtet hatte. Meine Klamotten waren auf dem Balkon getrocknet, perfekt. Also rein in die Wandersachen und noch eben die Blase am Fuß verpflegen.
Und da begann das Drama.
Denn es gibt einen wirklich dummen Fehler, den ich auf dieser Wanderung im Harz gemacht habe und der leider nicht besonders appetitlich ist und der begann an diesem Morgen. Ich habe meine Blase am Fersen aufgestochen und ein Blasenpflaster drauf geklebt. Dann bin ich rein in Socken und Stiefel und runter zum Frühstück. Inwiefern das zum Drama wurde? Warte ab, bis zum Tagesende.
Im Garten studierte ich beim Frühstück die Wanderkarte, schaute mir noch einmal die Route an. Für diesen Tag standen 24 Kilometer auf dem Programm. Dabei sollte ich dem höchsten Berg im Harz, dem Brocken näher kommen. Der Hexenstieg geht um ihn herum. Ich zweifelte, dass ich die Strecke schaffen würde. Nach dem Tag zuvor und den immer noch schmerzenden Schultern, der Blase am Fuß…. Na gut, erst einmal starten und dann weiterschauen, dachte ich mir. Im Zweifel wird es sicher in irgendeinen Ort auf dem Weg auch einen Bus zum Tagesziel geben.
Ich packte also mein Zeug zusammen und machte mich auf den Weg. Der startete richtig schön, wirklich filmreif brach die Morgensonne durch die Tannen und motivierte mich für den Tag. Es folgten mehrere wirklich nette Begegnungen mit Hundebesitzern und ihren wuscheligen Vierbeinern, die dafür sorgten, dass die ersten Kilometer schnell vergingen. Dann wurde es Zeit für eine Sturmschäden bedingte Umgehung und die brachte mich zum Schwitzen.
Über große Steine und reichlich Wurzeln ging es nach oben.
Mir lief das Wasser den Rücken runter, immerhin war es wieder ein hochsommerlicher Tag. Mein Wasservorrat schwand zusehends und die Schultern schmerzten auch wieder. Irgendwann kam ich oben an und stand tatsächlich auf der ersten kleinen Erhöhung, die einen weiten Ausblick bereithielt. Vor mir genoss ein Mountainbiker den Ausblick und schoss reichlich Fotos. Ich ließ die Kamera im Rucksack und gönnte mir lieber einen Müsliriegel sowie einen kräftigen Schluck Wasser.
Anschließend ging es einen steinigen Weg bergab und schon war ich zur Mittagszeit in Torfhaus.
Zeit einzukehren und sich für den restlichen Tag zu stärken. Im Bavaria Alm Torfhaus entschied ich mich für einen Platz auf der Sonnenterrasse mit Blick auf den Brocken. Dazu bestellte ich eine Kartoffelsuppe plus Brezn. Herrlich! „Kann ich nicht einfach hier sitzen bleiben? Für die nächsten Tage? Ist doch auch ganz schön.“ Aber irgendwie packte mich doch noch der Ehrgeiz, denn die Idee zum ersten Mal allein zu wandern, 100 Kilometer zu Fuß zurück zu legen reizte mich durchaus. Und dann war da immer die Stimme in meinem Kopf, die mir sagte:
„Also, wenn du das hier nicht schaffst, dann brauchst du auch nicht nach Nepal fliegen.“
Ich zahlte also meine Rechnung und mache mich wieder auf den Weg. Schön, wie man so eine Blase am Fersen besonders nach Pausen merkt. Die ersten Schritte sind dann die schönsten. Wenn der Schuh die schmerzende Stelle berührt. Bei aller Motivation, aber das war nicht cool. Ich rang mit mir und entschloss mich schon vorab, dann das letzte Viertel der Strecke, welches am frühen Abend auf mich wartete, abzukürzen und mir so 4-5 Kilometer zu sparen. Mit diesem Plan im Kopf ging es weiter. Heiß war es, vor allem hier, wo es kaum Schatten gab. Denn vom Wald ist war an dieser Stelle nicht viel übrig. Ich stand mitten in einem Baumfriedhof. Riesige Wurzeln türmten sich neben mir auf, vor mir standen tote ast- und blattlose Bäume – das waren die sichtbaren Auswirkungen des Sturms Friederike, welcher durch Deutschland geprescht war und hier im Harz großen Schaden hinterließ.
Was für ein unwirkliches Bild. Faszinierend und traurig zu gleich.
Vor mir hielt ein anderer Wanderer an, um ein paar Fotos zu schießen. Ich wollte ihm nicht ins Bild laufen und stoppte ebenso. So kamen wir ins Gespräch und stellten fest, dass wir die gleiche Strecke vor uns hatten. Also gingen wir gemeinsam weiter, quatschten über den Harz, das Leben und was einem eben so gerade einfällt. So vergingen die Zeit und Kilometer wie im Fluge und ehe ich mich umsah, war mein Plan der Abkürzung hinfällig. Stattdessen hatten Schultern und Blase so sehr meinen Fokus verlassen, dass ich mich auch noch zum Brockenaufstieg überreden ließ. Gefeiert wurde das Erklimmen vom höchsten Berg im Harz mit einem Eis, was könnte es bei über 30 Grad auch Besseres geben?
Doch noch war der Tag nicht geschafft, noch waren wir nicht in Schierke.
Es ging den Brocken also wieder runter, immer wieder hörte man von weit weit weg das Pfeifen der Brockenbahn. Wäre gerade Nebel in der Luft gewesen, so hätte man fast meinen können, man wäre in einem Harry Potter Film gelandet. Die alte schwarz-rote Dampflock, der steinige Weg und der sturmgeprägte Wald – das hätte ein mystisches Bild geben können. Doch von Nebel war das hier weit entfernt. Klarer Himmel und pralle Sonne, das traf die Wetterbeschreibung eher. Ich gönnte mir den letzten Schluck Wasser aus meiner Flasche und kraxelte weiter die Gesteinsbrocken hinunter. Kaum waren wir wieder auf geteerte Straße unterwegs, erreichten wir auch schon Schierke und welch ein Glück, meine Unterkunft, das Hotel Brockenscheideck, war direkt am Ortseingang.
Hier sage ich meinem Wandergenossen auf Wiedersehen, er sucht den nächsten Zeltplatz und checke ins Hotel ein.
Kaum auf dem Zimmer, raus aus den Schuhen und Socken. Und da war es: unter dem Pflaster war die Blase kräftig angewachsen. Frische Luft tut der Sache sicher gut, dachte ich mir, biss die Zähne zusammen und riss das Pflaster ab. Dummer dummer Fehler. Mit dem Pflaster riss ich nämlich auch die Haut ab und sorgte für eine schöne große offene nasse Wunde am Fersen. Genau das, was man sich bei so einer Wanderung wünscht. Noch war ich guter Dinge, dass das Unglück wie durch Zauberhand über Nacht heilen würde und stellte mich erst einmal unter die Dusche. Als ich zum Abendessen ins Restaurant vom Hotel Brockenscheideck kam, wurde ich freudig vom kleinen Hund eines Gastes begrüßt. Wir beide schlossen direkt Freundschaft und knuddelten eine Runde. Enttäuschte Hundeaugen, als ich meinen Weg raus zur Terrasse fortsetzten wollte, da meinte der Besitzer doch glatt: „Nehmen Sie ihn mit, der will eh die ganze Zeit schon raus auf die Terrasse. Wir sind noch eine Weile hier“. Ich schaute ungläubig, er nickte mir lächelnd zu und reichte mir die Leine. Also hatte ich an diesem Abend wohl eine Begleitung zum Abendessen. Der Vierbeiner und ich setzten uns in die Abendsonne auf die große Terrasse und genossen eine große Portion vegetarische Pasta. Noch eine Runde knuddeln und dann gab ich den Wuschel auch wieder ab.
Die Stufen hoch auf mein Zimmer erscheinen mir auf einmal, jetzt wo ich die Schwere in den Beinen spürte, ganz schön anstrengend. Gott sei Dank sah mich gerade niemand, wie ich dort hochkroch. Jetzt gab es nur noch eins zu tun: schlafen.
Ich glaube, heute breche ich ab
Harzer Hexenstieg Wanderung Tag 3 – von Schierke nach Neuwerk (ca. 23 km)
In der Nacht wachte ich dank schmerzendem Fersen mehrfach auf und von der erhofften Wunderheilung war am Morgen nichts zu sehen. Also zückte ich meine Notfallapotheke und versorgte den Hacken mit einem festen Verband, so dass die Wandersocke nicht an der Wunde kleben konnte. Nie hätte ich gedacht, dass ich mal so lang brauchen würde Schuhe anzuziehen, doch in den Stiefel hineinzukommen war angesichts des Schmerzes die größte Herausforderung an diesem Tag.
Schon der Weg zum reichhaltigen Frühstücksbuffet war eine schmerzhafte langsame Angelegenheit.
Wie sollte das heute nur erst auf der Wanderung werden? 23 Kilometer mit offenen Hacken? No way. Also beschloss ich an diesem Tag im Zweifel die Joker Karte „Bus“ zu ziehen, sollte ich es nicht aushalten. So setzte ich eine halbe Stunde später meinen Rucksack auf und verließ das Hotel. Im Schneckentempo und etwas humpelnd lief ich durch den Ort zum Start des Wanderweges.
Mit Musik in den Ohren versuchte ich mich zu motivieren und die Schmerzen zu verdrängen. Das gelang nur mäßig. Unvorstellbar so den ganzen Tag unterwegs zu sein. Während mich dieser Gedanke noch beschäftigte, sprach mich wer von hinten an: mein Wandergenosse vom Vortag. Und das war meine Rettung an diesem Tag, denn das Quatschen lenkte ab und so vergaß ich nicht nur den Schmerz zwischenzeitlich, ich hatte sogar das Gefühl, dass sich das Desaster irgendwie „eingelaufen“ hatte. So wanderten wir durch die Harzer Waldlandschaft und schwupps war auch schon Mittagszeit. Deftig deutsche Küche kam auf den Tisch, dazu eine große Apfelschorle und weiter ging es. Als wir an einer Picknickstelle vorbei kamen saß dort eine Gruppe Leute an Holztischen. Nett hatten sie es sich gemacht, mit Tischdecke und sogar Blumen auf dem Tisch. Wir mussten wohl beide grinsen, als wir das sahen und schon stand ein älterer Herr vor uns. Er wäre hier für die Versorgung der Wanderer zuständig und bot uns mit breitem Grinsen Wassermelone an. Wir nahmen uns jeder ein Stück, dankten und freuten uns über diese nette Begegnung.
Am Nachmittag gab es für die letzten 5 Kilometer noch ein Motivationseis und dann kamen wir auch schon in der Bodetaler Basecamp Lodge in Neuwerk an. Die, wie ich finde, wohl coolste Unterkunft auf meiner Wanderung des Harzer Hexenstiegs. Gerade erst vor ein paar Monaten eröffnet, mit super schön gemachten Zimmern, extrem bequemen Betten und Terrassen direkt am Fluss – echt sehr cool. Same procedure as every day: einchecken, ins Zimmer und raus aus den Schuhen. Wunde begutachten, mich selbst erst bemitleiden und mir dann für das tapfere Durchhalten auf die Schulter klopfen. Schön sah das nicht aus, aber schlimmer war es immerhin nicht geworden. Duschen, essen und dann ab ins Bett.
Großes Finale mit Endspurt und Adrenalin
Harzer Hexenstieg Wanderung Tag 4 – von Neuwerk bis nach Thale (ca. 27 km)
Am letzten Tag stand meine größte Herausforderung bevor. Denn nach dem großartigen Frühstück in der Basecamp Lodge ging es nicht auf direktem Wege den Harzer Hexenstieg weiter, meine Wanderung inkludierte an diesem Tag einen kleinen Umweg und der hatte es in sich.
Adrenalin, ich kann es spüren. Das Herz pocht, die Hände zittern.
Hatte ich erwähnt, dass ich Höhenangst habe? Warum hatte ich zu dieser Aktion noch einmal ja gesagt, als mich der Harzer Tourismusverband e.V. fragte? Ich stand auf der Titan RT, einer der längsten Hängebrücken der Welt. 458,5 Meter sind über das Rappbodetal auf 100 Meter Höhe gespannt und da kann man drüber gehen. Ich war aber eher am Schleichen, weil ich mich mit beiden Händen verbittert festkrallte. Was für die Kids vor mir ein ziemlicher Spaß zu sein schien, kostete mich wirklich Überwindung. Immer wieder sagte ich mir: „du hast schon Krasseres gemacht, ist doch gar nicht so schlimm. Du bist bin doch immerhin schon in Ecuador im Nebelwald an einem Drahtseil hängend über die Baumwipfel geflogen (zum Ziplining Video)“, doch irgendwie schien das meine Höhenangst nicht zu interessieren.
Es bleibt dabei, es ist jedes Mal wieder eine enorme Überwindung.
Bin ich froh, dass ich dort nicht zu denen gehörte, die Megaziplining oder die Gigaswing ausprobierten. Da wurde mir schon vom Zuschauen anders. Kein Zweifel: Adrenalinjunkies kamen hier auf ihre Kosten!
Irgendwann hatte auch ich dann auch die 100 Meter lange Brücke hinter mich gebracht und konnte die Wanderung durch den Harz fortsetzen. Es war ja schließlich die letzte und auch längste Etappe, also Zeit endlich weiter zu gehen.
Ich kam gut voran, bis mich nach der Mittagspause ein wichtiger Anruf aus dem Zeitplan brachte. Als ich auflegte und auf die Zeit schaute war es schon später Nachmittag und vor mit lagen noch 12 Kilometer. „10 Kilometer“, dachte ich „die jogge ich zu halbwegs fitten Zeiten regelmäßig, da werde ich ja wohl auch 12 mit strammen Schritt schaffen. Immerhin will ich den Harzer Hexenstieg noch vor dem Abend geschafft haben.“ Und so legte ich an Tempo zu. Das ging erstaunlich gut, denn ich hätte es ja nicht gedacht, aber an Tag vier schien sich mein Körper schon voll auf das Wandern eingestellt zu haben. Selbst der Fersen schmerzte kaum noch.
So legte ich die ersten 6 Kilometer zurück, bis ich kurz vor einem umgestürzten Baum an zwei älteren Herren vorbeikomme, die unfreiwillig gestrandet zu sein schienen.
Einer von ihnen hate seinen Fuß auf einem Stamm abgelegt und hielt mich an: „Haben sie zufällig ein erste Hilfe Set dabei?“. Er war hängengeblieben, als er versucht hatte über den gestürzten Baum zu klettern und hatte sich dabei den Fuß blutig gerissen. Vor mir hatten sie schon einige andere Wanderer gefragt, doch die waren alle auf Tagesausflug und da denkt wohl keiner daran Verbandmaterial mitzunehmen. Ich setzte meinen Rucksack ab und holte das ersehnte Erste Hilfe Kit heraus. Die beiden waren sichtlich erleichtert. Der Fuß wurde desinfiziert, verbunden und getaped. Ich verabschiede mich und setze meinen Weg fort. Die letzten Kilometer war ich über meine eigene Geschwindigkeit erstaunt, ging schon fast in leichtem Dauerlauf.
Das Ziel war schon so nah, da wurde mir klar: ich werde es schaffen.
Über 100 Kilometer in vier Tagen, als Anfängerin. Die Glücksgefühle waren kaum zu bremsen und trugen mich bis zum Bahnhof Thale. Dem Endpunkt des Harzer Hexenstiegs.
Geil, einfach nur geil. Ich habe es geschafft!
Als Belohnung ging es mit der Bahn noch nach Quedlinburg, UNESCO Welterbe Stadt, wo ich an diesem Abend im super schicken Fachwerkhaus Hotel Theophano direkt am zentralen Marktplatz übernachten sollte. Eine bessere Lage könnte man im süßen Quedlinburg gar nicht haben und so nutzte ich den Abend, nach dem Schuhe-ausziehen-duschen-frische-Klamotten-an-Ritual, um noch ein wenig zwischen den vielen hübschen Fachwerkhäusern zu schlendern, bevor ich meine Reise mit einem königlichen Abendessen abschloss.
Fazit und persönliche Erkenntnisse vom Harzer Hexenstieg
- Sturmschäden tuen einer Wanderung keinen Abbruch, so lange es Umleitungen gibt
- Wanderkarten lesen können, ist wirklich großartig
- Der Harz ist eine wunderschöne Region, mit vielen tollen Wandermöglichkeiten für jedermann
- Erste Hilfe Kits und gute Blasenpflaster gehören in jeden Wandertagesrucksack und schaden auch bei Tagestouren nicht
- Zu zweit Wandern lässt die Zeit schneller vergehen und die Anstrengung nur halb so groß wirken
- Der Teufelsstieg mit all seinen Gesteinsbrocken hat seinen Namen verdient
- Der Harz schläft hier und da noch etwas, kann aber durchaus eine ganze Menge, sogar Adrenalin verursachen
- Ich werde wiederkommen!
Meine Unterkünfte
- Osterode: Landhaus Meyer
- Altenau: Landhaus am Kunstberg
- Schierke: Hotel Brockenscheideck
- Neuwerk: Basecamp Lodge
- Quedlinburg: Hotel Theophano*
Meine Ausrüstung
- Wasserfeste Wanderkarte vom Harzer Hexenstieg *
- Mein guter Backpack, den ich auf dieser Wanderung dummerweise daheim gelassen hatte*
- Hanwag Lhasa Lady Frauen – Wanderstiefel*
Nützliche Infos rund um den Hexenstieg gibt es online bei Harz Info.
Wenn du dich durch diesen sehr langen Wanderbericht gelesen hast, dann nehme ich an, hast du selbst großes Interesse an einer Wanderung durch den Harz. Deshalb will ich dir noch zwei teilalternative Optionen zu meiner Wanderung mitgeben.
Harzer Hexenstieg – mit dem Zelt oder in Hotels?
Du kannst den Weg auch wandern und anstatt in Hotels auf Zeltplätzen übernachten. Das spart so einiges an Geld. Informiere dich jedoch vorher gut, denn so weit verbreitet sind die Zeltplätze dann nicht und wildcampen ist nicht erlaubt.
Harzer Hexenstieg – volle Kanne oder mit Gepäckservice?
Ich bin den gesamten Weg mit Rucksack gewandert. Das hatte einen ganz einfachen Grund, denn ich wollte mit der Wanderung ja für Nepal trainieren und dort werde ich meinen Rucksack auch selbst tragen. Davon aber abgesehen, braucht man für 4 Tage wandern mit Übernachtungen in Unterkünften ja nicht viel. Ich habe also minimal gepackt und bin so inkl. Getränken auf ein Rucksackgewicht von 9 Kilo gekommen. Da waren wohl gemerkt sogar noch meine Kamera sowie mein Laptop dabei. Du kannst also sicher auch auf max. 7 Kilo reduzieren. Die kann man in einem gut gepolsterten Rucksack durchaus den gesamten Tag tragen. Wer das nicht möchte, weil er sich bei der Kleiderauswahl nicht so einschränken will, ggf. auch anschließend noch mehr Tage Urlaub in der Region plant, der kann sich die Tour auch von spezialisierten Reisebüros buchen lassen, welche direkt einen Gepäckservice anbieten. Dann wird dein Reisegepäck morgens abgeholt und schon einmal zu deinem Tagesziel gebracht. Du nimmst dann zum Wandern nur mit, was du wirklich tagsüber brauchst.
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