Wenn du im fernen Grönland, in Ilulissat, am Eisfjord stehst, dann bleibt dir die Luft weg. Denn diese Kulisse ist ungewohnt schön. Die verschiedensten Blautöne tuen sich vor dir auf. Eisschollen und Eisberge im türkisfarbenen kalten Wasser, von vorn streicht dir eisige Luft ins Gesicht, es ist verdammt still. Nur zwei Dinge kannst du hören: das Heulen der Schlittenhunde aus dem Ort weiter weg und ab und an ein Krachen. Ein ungewohntes Geräusch, fast als würde jemand eine Pistole abfeuern. Es ist der Ton, den es gibt, wenn es im Eis ruckelt. Manchmal entstehen nur kleine Risse, manchmal löst sich auch ein Stück ab und fällt ins Wasser. Dann gibt es ein unüberhörbares Scheppern. So stehst du da, versuchst diese vielen Kilometer schwimmendes Eis irgendwie mit den Augen zu erfassen, atmest die klare Luft und fühlst dich ganz klein vor dieser Naturgewalt. So weit weg von deiner hochorganisierten und beschäftigten städtischen Heimat. Ganz nah am ewigen Eis.
So stand ich da und dachte mir, das hier ist ganz sicher der schönste Ort in Grönland.
Die Natur, die ist in meinen Augen der einzig wahre Künstler. Solche Farben, solch Formen, das kann nur sie. Ich war glücklich, zufrieden und angekommen.
Ein Gefühl, wie ich es zuletzt in den Bergen in der Schweiz gespürt hatte. Eine Demut, eine Bewunderung, Dankbarkeit und pures Glück. Ein Moment, den man unbedingt mit allen Sinnen speichern will.
Auf einmal reisst mich jemand aus meinen Gedanken, ein Jogger steht hinter mir. Ist die ganzen kleinen Hügel zu mir hinunter gerannt und fragt mich, ob ich vielleicht Wasser dabei hätte. Er trainiere für den Marathon, 68 Kilometer wolle er im Oktober laufen, erst einen vollen Marathon und einen Tag später einen halben und jetzt habe er sein Wasser vergessen. Ich spendiere ihm meine Flasche und schon läuft er weiter. Ich schau ihm hinterher und denke an den Park daheim in Berlin, durch den ich regelmäßig meine Runden renne. Diese kleine Grünfläche umzingelt von Straßen. Neid kommt auf, für diese unbezahlbare einsame Laufstrecke über Moose, Steine, mit glasklarer Luft entlang des Eisfjordes.
Mit einer Propellermaschine, zwei Piloten, einer Stewardess und 16 anderen Passagieren bin ich hier angekommen. Als Boardservice gab es auf dem gerade einmal 45 minütigen Flug wahlweise Wasser oder Kaffee und den Griff in einen Kekskorb. Sehr sympathisch. Während ich meinen Cookie knabberte konnte ich schon beim Anflug das grönländische Eis von oben bewundern. Welch ein Ausblick.
In Ilulissat, gibt es viele Schlittenhunde, aber meist sieht man sie nicht. Da sie entweder hinter den Häusern liegen oder ihr Fell dem Farbton der Steine, auf denen sie liegen, ähnelt. Da kannst du dich ganz schön erschrecken, wenn eines dieser kleinen Kraftpakete dann auf einmal vor dir steht und an seiner Kette zieht. Mit gestochen scharfer Aufmerksamkeit wirst du beobachtet, es hätte ja sein können, du bringst etwas zu fressen.
Wenn du deine Runde durch die kleine Stadt drehst, kennst du bald die Wege, hast die Cafés entdeckt und weisst, wo du dich zu Touren anmelden kannst. Doch das wahre Highlight ist die Aussicht. Ganz gleich von welcher Stelle im Ort du in die Ferne schaust, es ist einfach immer wieder wunderschön. Ob du bei Nebel hinunter auf den kleinen Hafen Nebel guckst, hinüber zu den bunten Häusern schaust, den Sonnenuntergang auf dem offenen Meer betrachtest, die Kirche vor der Küstenkulisse bestaunst oder dich einfach nicht am Eisfjord sattsehen kannst – alles wirkt wie aus dem Bilderbuch.
Als ich im Wohnzimmer meines Bed & Breakfast saß und gerade ein Buch las, schaute ich beim Seiteumblättern durch die großen Glasfenster hinaus, schräg vorbei am Haus gegenüber aufs Meer. Ich staunte nicht schlecht, als ich auf einmal eine Fontäne sah. Unverkennbar: da schwamm ein Wal im Meer, direkt in meinem Sichtfeld. So dicht an der Küste. Glück gehabt, großes Glück gehabt. Der perfekte Ausblick, selbst in dem Moment, als ich gar nicht auf Ausblick aus war.
So ist Ilulissat, wenn du die Augen aufmachst und dir Zeit nimmst, dann zeichnen sich vor dir Bilder, von denen du nur hoffen kannst, dass deine Erinnerung sie in dieser Pracht speichern kann.
Wenn du mir jetzt glaubst, dass dies wohl der schönste Ort in Grönland ist und sich eine Reise nach Ilulissat lohnt, dann bleibe PASSENGER X treu, denn in nächster Zeit kommen noch weitere Grönlandberichte und auch Empfehlungen zu den Dos and Dont’s in Ilulissat.
Und wenn du nach all den Fotos hier nach noch mehr Grönlandfeeling suchtest, dann hab ich hier auch noch einen Vlog aus Ilulissat für dich:
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