Breslau, da war doch was? Richtig, denn wer damals zu Schulzeiten in Geschichte aufgepasst hat, der wird sich noch daran erinnern, dass es sich bei Breslau um eine ehemals deutsche Stadt handelt, zeitweise sogar die drittgrößte Stadt in ganz Deutschland. Seit dem Kriegsende 1945 ist Breslau ein Teil von Polen und hört nun auf den Namen „Wrocław“. Nur vier Zugstunden von Berlin entfernt, hält Breslau so viele coole Highlights bereits, dass es mindestens einen Kurztrip wert ist. Das hat mir Mirko vom Städteblog WroclawGuide.com verraten. Gemeinsam mit Ewa schreibt er dort aus lokaler Sicht über Breslau. Ganz druckfrisch hat Mirko zudem einen alternativen Reiseführer für Breslau* veröffentlicht, welcher anhand von „100 außergewöhnlichen Orten“ durch die Stadt führt. Es könnte also wohl gerade keinen besseren Gastautor für einen Breslau Artikel geben. Deshalb freue ich mich, jetzt an Mirko zu übergeben. Viel Spaß mit seinen 11 Breslau Tipps.

1. Breslau Tipp: Die Anreise mit dem Kulturzug
Schon die Anreise ist außergewöhnlich, denn mit dem sogenannten Kulturzug beginnt der Städtetrip nicht erst bei der Ankunft, sondern bereits bei der Abfahrt. Im Jahr 2016 wurde Breslau zur Kulturhauptstadt Europas auserwählt, und dies wurde zum Anlass genommen, die bis dahin recht dürftigen Bahnverbindungen zu hinterfragen. Der Kulturzug war geboren! Jedes Wochenende bringt euch dieser zum Festpreis von 19 EUR von Berlin nach Breslau. Die Besonderheit liegt aber – wie der Name schon erahnen lässt – im Kulturprogramm.

An Bord gibt es regelmäßig Konzerte und Lesungen von deutschen sowie polnischen Künstlern. Aber auch eine Bibliothek, Reisetipps und ein riesiges weiteres interaktives Programm lassen keine Langeweile aufkommen. Sogar eine Silent Disko wird regelmäßig im Zug angeboten.

Die Anreise wird daher wohl sicherlich die kürzeste vierstündige Bahnfahrt sein, die du jemals hattest.
Übernachten in Breslau
Hostel: Günstig, gut gelegen und super augestattet ist das MoHo L Hostel*. Schon ab 27 Euro/Nacht bekommst du dort ein Zimmer mit Doppelbett und Couch für 2 Personen.
Boutique Hotel: Wer richtig schöne Hotels liebt, der wird sich in Breslau freuen, denn auch die Übernachtung im Boutique Hotel ist vergleichsweise erschwinglich. Im 4-Sterne Boutique Hotel PURO Wrocław Stare Miasto* kannst du schon ab 75 Euro/ Nacht zu zweit ein schönes das Doppelbettzimmer beziehen.
2. Breslau Tipp: Lokale am Bahndamm
Erstmal angekommen wird einem direkt ins Auge fallen, dass es sich um eine der beliebtesten Universitätsstädte in Polen handelt. Je nach Angabe sind 20-30% der Einwohner Studenten, somit ist Breslau eindeutig eine der jüngsten Städte Polens.
Das hat natürlich einen entsprechenden Einfluss auf das Kultur- und Nachtleben. Dazu gibt es nun einen Geheimtipp, der nur 5 Minuten vom Hauptbahnhof entfernt ist – den Bahndamm! Auf Polnisch wird dieser als „Nasyp“ bezeichnet und ist eine riesige Kneipenmeile, an der oftmals nur wenige Touristen zu finden sind. Klar, denn diese sind eher im Bereich der Altstadt unterwegs und verlaufen sich in der Regel nur bei Ankunft und Abreise in die Bahnhofsgegend.

Die Besonderheit vom Bahndamm: Über 30 Lokale befinden sich direkt unterhalb der Bahnschienen und bei einem gemütlichen Drink werdet ihr alle paar Minuten von einer unheimlichen Vibration über euren Köpfen daran erinnert. Keine Sorge, zum einen ist das nicht gefährlich, und zum anderen vergisst man dies spätestens nach dem zweiten Drink auch wieder.
3. Breslau Tipp: Das Hipster-Viertel Nadodrze
Oftmals mit Berlin-Kreuzberg verglichen wird das künstlerisch angehauchte Viertel Nadodrze, welches auf Deutsch als Odertor bezeichnet wird und nördlich des historischen Stadtzentrums in der Tat das Tor zur Oder ist. Bis vor einigen Jahren galt es noch, diesen Stadtteil nach Möglichkeit zu vermeiden, heute allerdings muss man keine Sicherheitsbedenken mehr haben. Das Viertel ist komplett gemischt, von jungen Familien mit Kindern, über Studenten, bis hin zu Mitarbeitern der zahlreichen angesiedelten Großkonzerne. Aber natürlich findet man gelegentlich auch noch ein paar merkwürdige Gestalten, das gehört eben dazu.

Neben zahlreichen kleinen individuellen Läden und Cafés findet man hier besonders viel Streetart und versteckte Hinterhöfe mit Kulturzentren, Kunst und ähnlichem. Und auch ein ganz besonderes Phänomen ist zu beobachten, welches in dem Ausmaß wohl ziemlich einmalig ist. Nach Kriegsende wurden alle deutschen Spuren, die den Krieg überlebten – wie Geschäftsbezeichnungen an den Häusern, überstrichen und unkenntlich gemacht. Im Laufe der Zeit haben jedoch Witterungseinflüsse und ein Mangel an Instandhaltung dazu beigetragen, dass nun 75 Jahre nach Kriegsende alte Vorkriegsbeschriftungen wieder sichtbar werden.

So wirkt es doch etwas grotesk, inmitten von polnischen Geschäften plötzlich eine „Werkstatt für moderne Fußbekleidung“ zu finden. Eine neu erstellte Karte zeigt über 200 solcher alten Spuren und hilft bei der Erkundung des Viertels und auch ein virtueller Spaziergang ist online verfügbar. So ist Nadodrze sicher ein ganz besonderer Breslau Tipp.
4. Breslau Tipp: Die Klassischen Sehenswürdigkeiten
Natürlich gibt es ein paar absolute Klassiker, für die Breslau berühmt und bekannt ist, diese sollte man unbedingt gesehen haben – sonst wäre ein Besuch einfach nicht vollständig.
Der historische Marktplatz ist das Herz der Stadt und auch die geographische Mitte, wenn man auf die Karte schaut. Viele bunte Patrizierhäuser umgeben den drittgrößten Marktplatz Europas mit seinem imposanten Rathaus.

Der Salzring befindet sich direkt neben dem Marktplatz und ist sozusagen der kleinere Bruder. Eine Besonderheit gibt es dort: die Blumenhändler. Diese verkaufen an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden lang ihre Ware. Ideal wenn nächtliche Entschuldigungen fällig sind.

Die Jahrhunderthalle war zum Zeitpunkt der Fertigstellung ein absolutes Novum – nämlich nichts Geringeres als das größte Stahlbetongebäude der Welt. Kritiker hatten sogar einen Einsturz nach 5 Minuten vorhergesagt. Sie steht allerdings immer noch, nach mehr als 100 Jahren inklusive zwei Weltkriegen.

Die Dominsel ist ein magischer Ort, an dem die Stadtgeschichte im Jahre 1000 begann – hier wurde damals das Bistum Breslau gegründet. Heute noch zündet abends im dunklen Gewand ein Laternenwächter die Lichter an. Sicher ist dies auch einer der romantischsten Orte der Stadt. Vom Aussichtsturm des Doms hat man einen wunderbaren Blick auf das gesamte Stadtbild.

Der Weihnachtsmarkt zieht nicht nur Besucher aus aller Welt an, sondern ist auch unter den Polen einer der beliebtesten. Eine Mischung aus schon fast kitschigen Lichtern, gepaart mit einer riesigen Anzahl an Verkaufsbuden, die regionale Produkte verkaufen, machen das Fest zu etwas ganz Besonderem. Natürlich gibt es auch Glühwein in allen möglichen Varianten!
5. Breslau Tipp: Strandbars & das Leben drumherum
Kein Problem, denn Breslau ist umgeben vom Wasser der Oder und wird oftmals auch als Venedig des Ostens (oder des Nordens) bezeichnet. Das bedeutet aber nicht nur, dass Bootsfreunde oder Kajakfreunde hier auf ihre Kosten kommen. Denn es gibt auch gut ein Dutzend Strandbars, bei denen man fast vergisst, dass man sich in einer 600.000 Einwohner Stadt befindet.

Egal ob Yoga im Sonnenaufgang, ein bisschen Volleyball am Nachmittag oder ein mitreißendes Jazzkonzert im Sonnenuntergang – für jeden ist ganz sicher etwas dabei.

Hatte ich bereits erwähnt, dass Breslau die wärmste Stadt in Polen ist?
Mehr Details zu den Strandbars und dem Programm findest du auf unserem Blog.
6. Breslau Tipp: Die Jagd auf Zwerge
Schnell wird man in Breslau feststellen, dass es eine riesige Anzahl an kleinen Zwergfiguren gibt. Diese stehen im gesamten Stadtgebiet herum und gehen verschiedensten Tätigkeiten nach. Manche sind einfach nur lustig, andere unterhaltsam, und natürlich gibt es auch welche, die etwas nachdenklich machen.
Vor 20 Jahren hat es mit dem „Papa Zwerg“ begonnen und seitdem gab es eine richtige Explosion der Zwergenbevölkerung. Über 500 Zwerge soll es mittlerweile geben, ständig kommen weitere hinzu.




Unsere Favoriten sind der Selfie-Zwerg (im Park Staromiejski), der Gefängnis-Zwerg (Więzienna 6) aber auch das große Zwergen-Orchester direkt neben dem Nationalen Musikforum (plac Wolności 1).
Extra-Tipp: Bei der Breslau Touristeninformation ist eine Übersichtskarte erhältlich.
7. Breslau Tipp: Architektur
Es ist leicht zu sagen, dass eine Stadt gegensätzlich und voller Widersprüche ist, aber in Breslau gibt es den Beweis dafür und zwar in der Architektur der Stadt. Die über 1000 Jahre Stadtgeschichte liegen direkt vor einem, so gibt es den Dom aus dem 12. Jahrhundert, Kirchen aus dem 13. Jahrhundert und viele weitere Bauten aus dieser Zeit.
Auch die imposante Universität aus dem 17. und 18. Jahrhundert, eine der längsten Barockfassaden der Welt, ist sicher ein Highlight. Die bereits erwähnte Jahrhunderthalle, mit der architektonische Geschichte geschrieben wurde, und vieles mehr…

Besonders spannend und gegensätzlich wird es nach 1945 im kommunistischen Polen, als in einer größtenteils zerstörten Stadt schnell möglichst viel Wohnraum geschaffen werden musste. Es werden riesige Wohnblocks hochgezogen, die heute das Stadtbild prägen. Nach der Wende 1989 wurde dann der Kommunismus besiegt und die „Kreativität“ einiger Architekten wurde sichtbar. In der Konsequenz führt dies zu quietschbunten und merkwürdig geformten Gebäuden in der Stadt, die heute die Bevölkerung zweiteilen – gerade bei der Frage „Ist das Kunst, oder kann das weg?“. Seit dem Beitritt Polens zur EU erlebte die Stadt dann massive Investitionen, viele ausländische Firmen gründeten lokale Niederlassungen, moderne Büroflächen und Einkaufszentren entstanden.

Wenn man von der Dominsel kommend durchs Stadtzentrum einfach nur der Strasse Świdnicka in Richtung Süden folgt, dann kann man alle möglichen Epochen auf dem Weg finden.
Auch ist die Verbindung zu Berlin nicht von der Hand zu weisen. Schon immer waren Berlin und Breslau auf besondere Art und Weise verbunden. Heute macht sich das vor allem darin bemerkbar, dass Breslau oftmals als Drehort für Filme herhalten muss, die eigentlich Berlin zeigen sollen. So zum Beispiel in „Bridge of Spies — Der Unterhändler“, einem Agententhriller von Steven Spielberg, welcher in den 50er-Jahren in Berlin spielt. Allerdings gibt es in Berlin heute kaum noch Patrizierhäuser in einem stark renovierungsbedürftigen Zustand und somit fiel die Auswahl auf Breslau, wo dann für die Dreharbeiten unter anderem temporär die Berliner Mauer wiederaufgebaut wurde. Hauptsächlich wurde in den Straßen Kurkowa und Ptasia gedreht. Auch heute findet man bei genauem Hinschauen immer noch ein paar verblasste Zeichen von diesem Dreh an einigen Hauswänden.
8. Breslau Tipp: Das Vier Tempel Viertel
Das Vier Tempel Viertel, oftmals auch Viertel der gegenseitigen Achtung genannt, verbreitet eine ganz besondere Stimmung. Nicht nur, dass hier vier verschiedene Religionen – es gibt katholische, evangelische, orthodoxe Kirchen sowie eine Synagoge – auf engstem Raum friedlich miteinander koexistieren, auch die Partyszene ist hier beheimatet. In den beiden Hinterhöfen „Pokoyhof“ und der „Niepolda-Passage“ finden sich reichlich Gelegenheiten, das Nachtleben von Breslau zu erleben.

Mein Tipp sind vor allem zwei Lokale: „Mleczarnia“ für den Abend und „Charlotte“ für den Morgen. Bei Mleczarnia kannst du bis spät in die Nacht bei gemütlichem Kerzenlicht sitzen und die rustikale Stimmung gemeinsam mit allen möglichen Getränken aufnehmen. Charlotte hingegen ist einer der (zurecht) beliebtesten Orte für ein ausgedehntes Frühstück am frühen (und ebenso am späten) Morgen.
9. Breslau Tipp: Die Neon Galerie
Nur wenige Straßenzüge weiter, immer noch im Vier Tempel Viertel, befindet sich dann die Neon Galerie. Obwohl diese oftmals auch als Neon-Friedhof bezeichnet wird, muss man sich hier nicht gruseln. Warum? Die Galerie ist ein Ort für alte Neonreklamen, die keine Verwendung mehr hatten und eigentlich für die Verschrottung vorgesehen waren.

Die Sammlung begann damit, dass ein Anwalt bemerkte, dass eine Reklame an einer Konditorei verschwunden war. Er fragte beim Inhaber nach, was damit passiert war. Zack, und schon war die erste Reklame vor der Verschrottung gerettet. Nach und nach ist die Sammlung dann immer größer geworden und eine Stiftung wurde für die Verwaltung der Neonreklamen gegründet. Heute kannst du diese umfangreiche Sammlung in der Neon Galerie bestaunen.
10. Breslau Tipp: Der Multimediabrunnen
Was sich wohl hinter einem Multimediabrunnen verbirgt? Über 300 Wasserdüsen und 800 ansteuerbare Lichtquellen! Diese sorgen in der Sommersaison stündlich für eine atemberaubende Show. Dazu gibt es Musik aus allen möglichen Stilrichtungen – auch hier wird sicherlich jeder auf den Geschmack kommen, egal ob Techno, Rockmusik oder Klassik.

Beim Multimediabrunnen in Breslau handelt sich um eine weitere Superlative: Es ist der größte Multimediabrunnen in Polen und ebenfalls einer der größten seiner Art in ganz Europa. Das Beste ist jedoch, dass die Vorstellungen komplett kostenfrei sind. Du findest den Brunnen direkt hinter der Jahrhunderthalle. Dort ist übrigens auch eine Pergola – ein schattigen Säulengang mit bepflanztem Dach, ein absolutes Muss bei jeden Kurztrip nach Breslau.
11. Breslau Tipp: Essen und Trinken
Eine Frühstücksempfehlung habe ich ja bereits mit dem Charlotte im Vier Tempel Viertel (Świętego Antoniego 2/4) ausgesprochen, allerdings gibt es viele weitere Cafés, die einen Besuch wert sind und die dürfen bei meinen Breslau Tipps natürlich nicht fehlen. Im „Pomiędzy cafe&bistro“ (Dubois 2) warten beispielsweise kleine Kunstausstellungen, leckerer Kuchen (unbedingt den Banoffee probieren!) und alle möglichen Snacks für zwischendurch – ideal auch für ein Mittagessen. Wer auf Spezialitätenkaffee steht, der sollte in jedem Fall mal beim „Gniazdo“ (Świdnicka 36) reinschauen.

Für den Abend empfehle ich zum Beispiel das „Bernard“ oder „Whisky in the Jar“, beide Restaurants liegen direkt am Marktplatz.
Auf keinen Fall sollte man aber zwei Dinge verpassen: Die Pierogi, ganz wunderbare Teigtaschen mit allen möglichen Füllungen – am besten in der Bar Pierożek (Księcia Józefa Poniatowskiego 3). Und für die Liebhaber von Süßspeisen sind Pączki ein absolutes Muss, diese sind vergleichbar mit Berlinern. Du bekommst sie an fast jeder Ecke.
Also wenn das mal nicht ausreichend Gründe sind, sobald es Corona zulässt, eine Reise nach Breslau zu planen. So nah an Deutschland, so viel zu sehen und dabei ist es sogar ein tolles Low-Budget-Ziel. Bis Fernreisen wieder möglich sein werden, kann wohl immer noch etwas Zeit vergehen, warum also nicht mal bei den Nachbarn vorbeischauen?
Falls du neugierig geworden bist, findest du viele weitere Insidertipps für Breslau auf Mirkos und Ewas Blog WroclawGuide.com – dem wohl besten und aktuellsten Reiseführer für Breslau.
Und auch in Buchform gibt es diese und noch 89 weitere Breslau Tipps mit vielen Details! Sowohl online als auch im stationären Buchhandel ist der frisch erschienene Titel „Breslau (Wroclaw) — Ein alternativer Reiseführer. 100 außergewöhnliche Orte, die man nicht verpassen sollte“* von Mirko für 16,95 EUR mit der ISBN 978-3-9822338-8-8 erhältlich.

Einen aktuelleren Reiseführer wird man derzeit wohl kaum finden. Ich jedenfalls plane 2021 auf jeden Fall einen Breslau Kurztrip für den Sommer!
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