Wer von der Diskoinsel nach Ilulissat mit dem Boot will, der hat Zeit. Zeit aufs Meer zu schauen. Den Wellengang in der Diskobucht, das Auf und Ab zu spüren. Jede Menge Zeit, auch, um sich mit seinen Mitfahrenden zu unterhalten.
Beinahe musste ich lachen, als das kleine Boot dort anlegte, wo ich eigentlich ein Fährschiff erwartet hatte. Kleines Boot heißt auch gleich hohe Geschwindigkeit. Wir preschten also ordentlich durch die Wellen, schepperten immer mal wieder direkt auf sie drauf. Egal aus welchen Fenster ich schaute, weit und breit nur das Meer und die Eisbrocken, die es vom Eisfjord bis hierher geschafft hatten, über 100 km von ihrer Abbruchkante entfernt.
Ich hatte mir vorgenommen etwas für den Blog zu schreiben, da war ich noch vom Fährschiff ausgegangen. Das konnte ich mir nun abschminken. Bei der Fahrweise hätte ich nie im Leben auch nur einen Satz schreiben, geschweige denn meinen Laptop überhaupt auch nur sicher abstellen können.
Fünf Stunden lang nur aufs Meer zu starren, kann ganz schön langweilig sein.
Also nutzte ich es aus, dass auch die anderen Gäste an Board unbeschäftigt waren, immerhin kannten wir uns ja schon beinahe. Auf der Diskoinsel gab es nur wenige Unterkünfte und die lagen zudem direkt nebeneinander. Außerdem teilten sie sich dann auch noch den gleichen Frühstückssaal. Wen ich also nicht im Gemeinschaftswohnzimmer meines Hotels gesehen hatte, dem war ich schon beim Brötchenschmieren am Morgen begegnet.
So kam es auch direkt zum Plausch mit den beiden Damen Anfang 60 aus Großbritannien. Alte Schulfreundinnen, die sich vor einigen Jahren wiedergefunden hatten und nun zum ersten Mal gemeinsam reisten. Ihren Grönlandtrip hatten sie über eine Agentur buchen lassen, aus Mangel an Informationen. Gäbe es doch in England keinen Reiseführer über Grönland und überhaupt sei das Buchen für dieses Land ja auch recht kompliziert. Sie waren noch positiv von ihrem jüngsten Grönlanderlebnis aufgeladen, einer Tour im Inlandeis. Dort fuhren sie mit Schlittenhunden und hatten dazu extra eine eintägige Wanderung hinter sich gebracht.
Ein großes Vergnügen, das den langen beschwerlichen Aufstieg wohl wert war.
Beeindruckt erzählten sie davon, wie der Schlittenführer die Kontrolle über die wilde Hundebande hatte, welche aufs Wort gehorchte. Wie kraftvoll und schnell die Tiere sie über das Eis gezogen hatten. Wie einmalig dieses Erlebnis war und dass es auch noch viel besser als eine der deutlich touristischeren und kürzeren Schlitten-Touren in Finnland gewesen sei. Neben uns saß Tina. Eine Inuit, die schon lange in Dänemark lebte.
Ihre Kinder sind bereits erwachsen. Sie selbst war aus Geschäftsgründen in Grönland. Fünf Wochen reise sie durchs Land, um mit sämtlichen Einrichtungen von Kindergärten bis Altenheimen, deren Bestellungen zu besprechen. Tina arbeitet im Verkauf und bereits jetzt, im August, bereitete man sich in Grönland langsam auf den Winter vor. Denn dann friert alles zu und so einige Orte sind bis zu 10 Monate logistisch von der Außenwelt abgeschnitten.
Von Tina erfuhr ich auch etwas über das grönländische Schulsystem. Da die meisten Orte sehr klein sind, müssen die Schüler für die weiterführende Schule ihr zu Hause verlassen. Bei gerade einmal 56.000 Einwohnern im gesamten Land, gibt es nur drei Gymnasien landesweit. Da ist der Schulweg mit enormen Strecken verbunden, weshalb der größte Teil der Schüler auch direkt in der Schule beherbergt wird. Heimatbesuche sind für die meisten nur ein oder zweimal im Jahr möglich. Das sei in Grönland eben so. So kann man sich auch direkt für später daran gewöhnen, denn wer studieren will, der verlässt in den meisten Fällen eh das Land.
Derweil kämpfte eine der Britinnen mit dem Wellengang.
Stur fixierte sie den Horizont durch das Fenster hinter mir und bemühte sich regelmäßig zu atmen. Tina, geübt in der grönländischen Wasserüberquerung, kramte in ihrer Tasche. Tada! Ein trockener Cracker. Das hilft. Wer seekrank wird, der müsse etwas salziges, trockenes essen. Und sie behielt Recht. Einige Zeit später ging es unserer Mitfahrerin deutlich besser.
Ich schaute wieder aus dem Fenster. Staunte über die ausladenden Eisbrocken direkt neben uns in der Diskobucht. Fühlte mich dankbar, das alles sehen und erleben zu können. Wieder Menschen aus verschiedensten Ländern kennenzulernen, diese unwirkliche Welt zu sehen.
Grönland, manchmal wie eine Mondlandschaft, manchmal wie der Nordpol.
Zu größten Teilen bestehend aus Eis, was für mich immer noch unvorstellbar schien. Ich war fasziniert, war aber auch froh, dass mein zu Hause infrastrukturell so unfassbar gut erschlossen ist und ich früher zu meiner Schule laufen oder mit dem Bus fahren konnte. Dass ich erst ausgezogen bin, als ich es wollte; zwar früh, aber freiwillig. Nicht weil ich es für meine schulische Bildung musste. Aber so ist das hier eben in Grönland.
Und jede Reise zeigt einem auch eine andere Möglichkeit, das Leben zu strukturieren und andere Lebensweisen, die eben auch funktionieren. Das ist das Wunderbare am Entdecken.
Bist du jetzt in Stimmung für die Bootstour in der Diskobucht gekommen? Hast du Lust auf ein arktisches Abenteuer? Dann sind meine ist mein Vlog von der Diskoinsel genau das Richtige für dich:
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