Sabbatical Interview mit Andi: Auszeit statt Burnout
Letzte Aktualisierung: 19.06.2017
Andi ist 44 Jahre alt. Ein Alter, indem er sich als selbstständiger Autor viele Fragen über sein Leben stellt. Nach Jahren hoher Arbeitsbelastung sowie diversen Höhen und Tiefen brauchte er dringend Zeit um mal richtig durchzuatmen. Warum ein zweimonatiges Sabbatical seine Rettung war, erzählt er dir im Interview.
Frage 1: Wie kam es zu der Idee ein Sabbatical zu machen?
Nach 11 Jahren ohne richtigen Urlaub und zahlreichen Höhen und Tiefen des Lebens eines Selbstständigen war es an der Zeit mal richtig durchzuatmen. Außerdem bestürmen einen in der Mitte des Lebens ja auch so allerlei Fragen über das – wohin, woher und warum, die auch alle mal beantwortet werden wollen. So habe ich also ungefähr drei Jahre mit mir gehadert, ob ich mir so eine Auszeit leisten kann und als ich irgendwie mit meinem Leben weitgehend durch war und festgestellt habe, dass mich eigentlich nichts mehr hält, bin ich losgefahren.
Frage 2: Wie lange vorher hast du das Sabbatical bei deinem Arbeitgeber angekündigt und wie hat man dort reagiert?
Da ich selbstständig bin, musste ich niemanden um Erlaubnis fragen. Allerdings musste ich als selbstständiger Verleger/Autor im Vorfeld alles rund um den kleinen Verlag organisieren und zahlreiche Kunden informieren, dass ich demnächst nicht greifbar sein würde. Entgegen meinen Befürchtungen habe ich keine Kunden verloren, die meisten haben mich verstanden, gerade zu beneidet. Interessant: desto höher meine Kunden in der „Hackordnung“ ihres Unternehmens standen, desto mehr haben sie mich ermutigt die Auszeit zu machen. Das war also eine positive Erfahrung.
Frage 3: Wann und wie lange hast du dein Sabbatical genommen?
Ich war 2016 im Herbst zwei Monate in den USA. Dort habe ich viele Freunde, einige Verwandte und ich habe dort auch schon früher mal ein knappes halbes Jahr gewohnt. Ich wusste also worauf ich mich einlasse und die Sprache war auch kein Problem.
Frage 4: Was waren deine Highlights in den USA?
Ich bin vom Atlantik bis zum Pazifik gefahren und von Florida bis hoch nach Montana. Also habe ich ziemlich viel gesehen. Palmenstrände und Schnee, die größten Städte und die einsamste Ödnis. Dar war sehr cool. Ein paar der zahllosen Highlights:
-Eine Woche New-York bei einem Bekannten in Queens. Da ich N.Y. schon kannte, hatte ich keinen Druck Sehenswürdigkeiten abzuklappern und habe ihm die Führung überlassen. Ein wunderbarer Auftakt für die Reise.
-Alleine durch die Berge in Montana zu fahren. Ich war fast zwei Wochen ohne Menschen im einsamen Norden. Dort bin ich mit dem Floridacar durch den Schnee gefahren.
-In Idaho landete ich in einem verregneten kleinen Dörfchen. Die Touristen waren alle schon weg und da sich die Einheimischen so langweilten, haben sie mir einen Crashkurs in der Minenarbeit – das werde ich nie vergessen.
– Als ich nach Forks (Drehort von Twilight) war, brachte ein Taifun den heftigsten Regen, den ich je erlebt habe, mit. Der Strom fiel aus, ich war der letzte Gast in meinem Motel und saß in kompletter Finsternis. Hätte nur noch ein Vampir oder ein Werwolf gefehlt.
– Am Ende der Reise ging es nach Vegas. Es gibt einfach nichts, was Vegas beschreiben kann. Ich habe wirklich noch nie so viele Nackte und Wahnsinnige in so kurzer Zeit getroffen.
Frage 5: Was hat dich das Sabbatical gekostet?
Ich weiß es tatsächlich nicht mehr so genau. Ich sag mal so 5.000 – 6.500 Euro. Dummerweise war der Dollar-Euro-Kurs fast 1/1. Mein Glück im Unglück: ich konnte etwa drei Wochen bei Freunden und Bekannten übernachten.
Frage 6: Was hat sich nach dem Sabbatical für dich verändert?
Meine Stimmung hat sich gehoben. Ich wollte tatsächlich nicht mehr – im wahrsten Sinne des Wortes – von der Brücke springen. Ich habe mir weniger Sorgen gemacht und mich mehr an Kleinigkeiten erfreut. Außerdem ist es schön zu wissen, dass man woanders auch ein komplett anderes Leben leben könnte, wenn man wollte. Das lässt die Dinge meines Alltags weniger wichtig und damit weniger tragisch erscheinen.
Frage 7: Würdest du es wieder tun?
Jederzeit. Ich hoffe auf die nächste Auszeit in 5 Jahren. Japan wäre schön.
Letzte Frage: Hast du einen Tipp für die, die noch überlegen, ob sie ein Sabbatical machen sollen?
Mich haben schon so viele gefragt, wie ich das gemacht habe, was man tun muss usw. Die Wahrheit ist, wie immer im Leben: wenn man etwas radikal verändert, ist es immer wie ins kaltes Wasser springen. Man kann nicht wissen, was genau dabei herauskommt. Also gibt es nur einen einzigen Rat und da zitiere ich, so abgedroschen das klingen mag, einen bekannten Sportartikelhersteller: Just do it.
Sabbaticaldauer: 2 Monate
Sabbaticalkosten: ca. 5.000 – 6.500 Euro
Regelung mit dem Arbeitgeber: Andi ist selbstständig und musste niemanden fragen. Seine Kunden hat er natürlich vorab informiert.
Reiseziel: von der Atlantik- bis zur Pazifikküste der USA + Florida bis hoch nach Montana
Andi hat seine Erlebnisse in dem Buch „6000 Meilen bis Vegas“ verarbeitet. Dieses ist ein Reisebericht über die USA, aber eben auch ein Buch über das Leben. Es beginnt auf der sprichwörtlichen Brücke, auf die ihn das Leben getrieben hat und endet gute zwei Monate später auf genau derselben Brücke, dieses Mal allerdings mit einigen neuen Erkenntnissen.
Noch mehr Interviews zum Thema Sabbatical:
Wenn aus Kündigung Sabbatical wird
Auf dem Fahrrad durch Europa mit Tim
Was, wenn der Chef nichts vom Sabbatical hält?
Wenn das Reisen einfach alles ändert
Wenn aus Sabbatical auswandern wird
Gina & Marcus – Mit Ü50 um die Welt
In drei Monaten um die Welt mit Judith und Daniel
Sechs Monate Sabbatical in Istanbul
Ein Jahr, 4 Kontinente, 20 Länder – das Sabbatical von Claudia und Dominik
Kommentar hinterlassen