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Aussteiger Interview: Tonys Into The Wild Abenteuer in Norwegen

Letzte Aktualisierung: 11.08.2023

Tony ist das, was man wohl im Kopf hat, wenn man an einen „Into The Wild“ Abenteurer denkt. Denn das Abenteuer, welches er sich für seine Auszeit gesucht hat, ist für mich schier unvorstellbar. Ganz allein ist er vier Monate lang Norwegen der Länge nach gewandert. Auf 2.800 Kilometern Strecke hat er Schneefelder überquert, hat in eiskaltem Wasser gebadet, sein Zelt an unzähligen unberührten Orten aufgeschlagen. Diese Reise hatte ich über Tonys Blog wirvondraussen.de intensiv verfolgt und fasziniert mitgefiebert. Deshalb freue ich mich riesig, dass Tony bereit ist, Teil meiner Interviewreihe zu sein und mir zu dieser denkwürdigen Reise Rede und Antwort steht.

 

Frage 1: Wie kam die Idee eine Auszeit zu nehmen?

Es war nicht der Wunsch nach einer Auszeit im Sinne von, „Ich bin seit 20 Jahren im Job und benötige Abstand.“, ich habe mich nach der Abgabe meiner Diplomarbeit im Oktober 2014 für das mehrmonatige Wandern durch Norwegen entschieden. Außerdem spürte ich den inneren Ruf nach Abenteuer, den ich von Zeit zu Zeit deutlich wahrnehme. Bereits 2012 legte ich 6.500 Kilometer auf einer Fahrradtour von Deutschland über Frankreich, England, Irland, Schottland und Norwegen zurück.

Das PASSENGER X Auszeit Interview_alleine durch Norwegen wandern mit Tony_norgepalangs

Frage 2: Wieso wolltest du Norwegen zu Fuß erkunden?

Die Kenntnis um „Norge på langs“, was so viel bedeutet, wie „Norwegen der Länge nach durchqueren“, hat mich seit meiner Fahrradtour nicht mehr losgelassen. Die Motivation diese Strecke zu Fuß zu gehen, war es meinen Körper und Geist zu fordern. Ich wollte herausfinden, was eine tägliche Wanderung zwischen 25 und 30 Kilometer mit mir macht. Da ich bisher meine Reisen mit dem Fahrrad erlebt habe, stellte das Wandern für mich eine komplett neue Form der Fortbewegung dar. Man ist auf keine festen Straßen angewiesen und erreicht die höchsten Gipfel, die abgelegensten Ecken der Nationalparks und kann fast jeden Gebirgsbach durchqueren. Man könnte es auch als die ehrlichste Fortbewegungsmöglichkeit bezeichnen. Die Idee, dieses wunderschöne Land so nah und natürlich zu erfahren, war der ausschlagebene Grund, mich für das Wandern zu entscheiden.

 

Frage 3: Was haben Freunde und Familie zu deinem Vorhaben gesagt?

Ich bin in der glücklichen Lage, dass meine Frau vollstes Verständnis für meine „kleinen Ausflüge“ hat. Meine Familie freut sich für mich und ist immer mit voller Leidenschaft dabei. Meine Mutti schrieb damals folgende Worte: „Ich bin gespannt auf das was kommt. Ich erinnere mich noch ganz genau, als du bei deinem letzten Abenteuer am Ziel angekommen warst und ich per Telefon an deinen überwältigenden Gefühlen und dem Erlebnis am Ziel angekommen zu sein, teilhaben durfte. Da bekomme ich heute noch Gänsehaut, so schön war das. Ich freue mich mit dir.“

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Frage 4: Wie lange vorher hast du mit der Planung begonnen?

Mein Ziel war es, nicht planlos die Tür hinter mir zu schließen und ins Blaue zu Reisen. Ich wusste, dass eine gewisse körperliche Fitness, eine möglichst genaue Planung der täglichen Essenrationen sowie eine ungefähre Vorstellung der Kosten, die Voraussetzung für eine unbeschwerte Reise sein würden. Mein Ziel war es ca. 3.000 Kilometer über Stock und Stein von der Südspitze Norwegens bis zum Nordkap zu wandern und dabei möglichst viel Zeit in der Wildnis zu verbringen. Zu allererst musste ich allerdings finanziell vorsorgen. Das bedeutete für mich, weiterhin wie ein Student zu leben, jedoch in Vollzeit zu arbeiten. Keine zwei Wochen nach der Entscheidung die Tour zu machen, das war Anfang November 2014, saß ich in einem großen gelben Lieferwagen und habe den Menschen ihre Weihnachtsgeschenke an die Tür geliefert. Den Job als Paketbote habe ich insgesamt sechs Monate in Vollzeit gemacht. Ein netter Nebeneffekt war, dass ich durch diese Arbeit bereits einige Kilos verloren hatte und meine Fitness für die Tour rapide anstieg. Es galt die Route zu planen, Lebensmittelpakete zu packen und geeignete Depots ausfindig zu machen. Zudem musste ich meine Ausrüstung zusammenstellen, welche ich dann auf kleineren Tagesetappen testete.

Von der Entscheidung für die Tour bis zum ersten Schritt  Norge på langs vergingen sieben Monate.

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Frage 5: Was waren deine Highlights auf Norge på langs?

Ein Highlight dieser Reise waren die Menschen, denen ich begegnete. Sie unterstützten mich mit Freude und gaben mir ein Gefühl von Zusammenhalt und Sicherheit.

Die acht Tage von Kilpisjärvi in Finnland über das Hochplateau Nábár nach Alta ohne Handyempfang, ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Kontakt zu Menschen waren natürlich Abenteuer pur und gehören sicherlich zu den Höhepunkten dieser Wanderung. Ich stand nur mit einer Karte und Kompass in der Hand im Nirgendwo. Die Sicht war gleich null, es regnete und der Wind wehte mir um die Ohren. Da heißt es kurz mal die Ruhe bewahren und überlegen wie es weitergeht und vor allem in welche Richtung es weitergeht.

Schon bevor ich loslief, hatte ich das Bild im Kopf, wie ich mit nach oben gerissenen Armen das Nordkap erreichen würde. Als dieses Bild nach 131 Tagen und 2.800 Kilometern Realität wurde, war das natürlich ein ganz besonderer Moment.

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Frage 6: Wie war es allein unterwegs zu sein? Hast du dir darüber vorher Gedanken gemacht?

Das Alleinsein war ein Teil meines Vorhabens. Ich wollte mich mit mir selbst und der Natur auseinandersetzen. Alleine unterwegs zu sein gab mir die Möglichkeit wirklich ich selbst zu sein. Wenn mir an einem regnerischen Morgen das Aufstehen schwerfiel, dann konnte ich für mich entscheiden, dass ich einfach liegen bleibe. Der Umgang mit aufkommenden Gefühlen entsprach zu 100% meiner Persönlichkeit, indem ich mich alleine mit Sehnsucht, Heimweh, schmerzenden Füßen aber auch Glück und Zufriedenheit auseinandersetzten musste.

 

Frage 7: Was haben dich die vier Monate gekostet?

Insgesamt hat mich die Reise ca. 7.000 Euro gekostet. Davon habe ich nur einen kleinen Teil in Norwegen ausgegeben. Der größte Kostenpunkt in Norwegen stellten die Übernachtungen in den Wanderhütten dar. Was ab und zu teuer wurde, waren die unkontrollierten Einkäufe im Supermarkt.

Kleiner Tipp: Nach einer Tagesetappe von 30 Kilometern zu Fuß erst etwas essen, bevor du kurz vor Ladenschluss einen kleinen Supermarkt plünderst.

Um die Lebensmittelkosten zu senken, habe ich mir insgesamt sieben große Pakete mit Nahrung und Dingen des täglichen Bedarfs in Deutschland zusammengestellt. Diese Pakete wurden mir dann zu meinen Depots gesendet.

Von den 7.000 Euro floss etwa die Hälfte in Zelt, Schlafsack, Wanderbekleidung, Kamera und weitere Ausrüstung. Bis auf die Wanderschuhe kann ich die Sachen aber heute alle noch nutzen. Zu Hause wurden monatlich die Kosten für die Krankenversicherung und für den Mobilfunkvertrag abgebucht. Hinzu kommen die Kosten für die An- und Rückreise.

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Frage 8: Was hat sich nach deinem Abenteuer für dich verändert?

Ich habe meiner Freundin zwei Wochen nachdem ich am Nordkap stand einen Heiratsantrag gemacht. Glücklicherweise hat sie sich entschieden ihr Leben mit mir gemeinsam zu verbringen.

Außerdem entschied ich mich schon während der Wanderung für eine selbstständige Tätigkeit als Individualreiseveranstalter. Schwerpunkt der Reiseveranstaltungen sind Trekkingreisen in kleinen Gruppen von max. 6 Personen in Norwegen.;)  Sprich die Wanderung war meine persönliche, viereinhalbmonatige Ausbildung zum Trekking Guide. Diesen Sommer biete ich meine ersten Reisen an.

 

Frage 9: Würdest du es wieder tun?

Ich werde es wieder tun!

 

Frage 10: Hast du einen Tipp, für alle, die zum ersten Mal für längere Zeit auf eigene Faust wandern wollen?

Definitiv die Schuhe vorher einlaufen, sonst werden die ersten 100 Kilometer sehr schmerzhaft.

Eine längere Wanderung ab sechs Wochen bringt dich in eine andere Welt und lässt dir viel Raum für persönliche Entwicklung. Aus meiner Sicht ist es das Wert, dafür alle schwierigen Hindernisse Stück für Stück aus dem Weg zu räumen und zu starten.

Bei Ausrüstungsfragen oder Fragen rund um das Wandern in Norwegen stehe ich euch jederzeit helfend zur Seite. Wenn ihr lieber erstmal reinschnuppern möchtet, kann ich euch gerne für 8 – 10 Tage mit in die norwegische Natur nehmen. Dazu schaut einfach auf wirvondraussen.de vorbei.

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Frage 11: Hast du einen Tipp für die, die noch überlegen, ob sie mal aussteigen sollen?

Nach sechs bis acht Wochen alleine in der Natur hast du den Abstand um dein bisheriges Leben zu betrachten. Dieser Blick und die daraus resultierende Selbstreflexion kann dein Leben komplett umkrempeln. Was verändert sich, wenn du so weitermachst wie bisher? Wahrscheinlich ändert sich NICHTS. Stell dir die Frage: Was wäre, wenn ich für eine gewisse Zeit aussteige? Es gibt nur eine Möglichkeit diese Frage zu beantworten. Du musst es tun.

Tonys Abenteuer im Überblick:

Dauer Sabbatical: 4 Monate

Regelung mit dem Arbeitgeber:
keine feste Anstellung

Kosten Auszeit:
7.000 Euro für Ausrüstung, Flüge, Essen und laufende Kosten daeim

Reiseziel: 2.800 Kilometer zu Fuß in Norwegen, Norge pa langs

Wer jetzt auch Lust auf’s Wandern in Norwegen bekommen hat oder einfach noch mehr von Tonys Abenteuer sehen will, der kann sich auf seinem Blog wirvondraussen.de reinlesen und in seinen Videos voll eintauchen oder direkt eine Tour gemeinsam mit dem sympathischen Abenteurer auf wirvondraussen.de buchen.

Meine Buchempfehlungen zum Thema Fernwanderungen:

  1. 500 Walks: Legendäre Erlebnis-Wanderungen weltweit*
  2. 1001 Wanderwege*
  3. Fernwanderwege in Europa. 24 Traumstrecken vom Nordkap bis zum Mittelmeer*

 

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3 Kommentare

  1. Flo

    30. Juni 2017 at 23:31

    Hey Tony,
    Ein tolles Interview, das hat super Spaß gemacht zu lesen. Respekt und super Entscheidung, dass du das Hamsterrad verlässt und dein eigenes Ding machst.

    Viele Grüße
    Flo

  2. Christiane

    1. Juni 2017 at 20:08

    Wow, Respekt. Ohne Wandererfahrung 131 Tage allein wandern! Du musst ein starker Charakter sein.
    Bei der Supermarkt-Szene musste ich gleich schmunzeln – genau so ging es uns auf unserer Alpenüberquerung wenn wir mal wieder in einem Dorf angekommen waren. Dabei sind wir gerade einmal 3 Wochen am Stück unterwegs gewesen. Chapeau!

    1. Tony

      30. Juni 2017 at 16:31

      Keine Wandererfahrung zu haben hat diese Tour für mich noch interessanter gemacht. Die ersten Tage war es noch komisch. Aber man lernt mit jeden Tag dazu. Irgendwann fühlt es sich so an, als hätte ich mein Leben nichts anderes gemacht. Man muss aber auch dazu sagen, dass ich bis auf wenige Ausnahmen (gefährliche Flussquerung, fast im Sumpf versackt) keine wirklichen gefährlichen Situationen zu meistern hatte. Die länge der Tour und das Alleinsein waren schon mehr Herausforderung. Ob 131 Tage oder drei Wochen: Heißhunger bleibt Heißhunger. Da ist einem dann auch kurz mal das Reisebudget egal. Oder man sagt sich an der Kasse, beim nächsten Einkauf nehme ich dann weniger. Passiert natürlich nicht. 😉

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